1939-1958
Erklärungen von Papst Pius XII.
mit direktem oder indirektem Bezug zu den deutschen Heimatvertriebenen
- Das Schicksal der Menschheit im Zeichen von Macht und Gewaltanwendung
- Über den Imperialismus als Ursache der Völkervertreibung
- Vom Wert der Heimat, ihren Sitten, Überlieferungen und Gebräuchen.
- Vom Vaterland und der Vaterlandsliebe
- Hass, Rache und Vergeltung, die Triebkräfte der Gewaltanwendung
- Zur Frage der "Kollektivschuld"
- Über die unabdingbare Gültigkeit der Normen des Rechtes und der Gerechtigkeit
- Hoffnungen und Erwartungen der Kirche
- Wiederversöhnung und Ausgleich
- Die Sorge der Kirche um die Zukunft Europas und der Welt
- Der christliche Glaube als Brücke zum wahren Völkerfrieden
- Gebet Papst Pius' XII. für die Heimatvertriebenen
- Verwendete Literatur
1. Das Schicksal der Menschheit im Zeichen von Macht und Gewaltanwendung
Solidarität und Liebe sind für eine Menschheit gleichen Ursprungs, gleicher Natur und gleicher Zielsetzung das Fundament der Gemeinschaft.Rundschreiben "Summi pontificatus" vom 3.03.1939; Dok. S. 153.
Die innerste und letzte Wurzel der Übel, die wir in der modernen Gesellschaft beklagen, im Leben der einzelnen wie im sozialen Leben und in den internationalen Beziehungen, ist die Leugnung und Zurückweisung einer Norm universaler Sittlichkeit.Rundschreiben Pius XII. "Summi pontificatus" vom 3.03.1939; Dokument S. 153.
Vielleicht hat es nie in der Geschichte der Menschheit eine Stunde gegeben wie die gegenwärtige. Sie birgt ebenso die Möglichkeit nicht weniger mächtiger und wohltuender Fortschritte wie die verhängnisvoller Versäumnisse in sich. Und diese Stunde verlangt mit gebieterischer Stimme, dass die Kriegsziele und Friedensprogramme von höchster sittlicher Gesinnung diktiert werden.Radioansprache zum Heiligabend vom 24.12.1943; Dok. S. 26.
Das ganze soziale Gefüge wurde (durch den Krieg und seine Folgen) zerrissen, die menschliche Gesellschaft bis in ihre Grundfeste erschüttert, Familien, Völker, Staaten, -, wer könnte die Geschichte ihres Todeskampfes schildern, den sie erduldet haben und manche heute noch erleiden? ... Was der Hl. Paulus vom menschlichen Leib sagt, findet seine Anwendung auch auf den internationalen Volkskörper: "Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit." (cf. 1 Kor. 12, 25)Ansprache an eine Kongresskommission der USA vom 21.08.1945; Dok. S. 38.
Die Kurve der Zerrüttung des öffentlichen Lebens geht parallel mit der Säkularisierung, seiner Loslösung von Gottglauben und Gottesdienst. Solcher Verweltlichung können aber – Land für Land und Volk für Volk – Einhalt tun nur Menschen und Gemeinschaften, die glauben und beten.Ansprache an Schweizer Pilger vom 16.05.1947; Dok. S. 61, 62.
Die Männer der Nachkriegszeit hätten jenem Verfall (einer dem sittlichen Nihilismus verfallenen Politik) leicht die eigene sittliche Überlegenheit entgegenstellen können. Sie haben sich leider in nicht wenigen Fällen eine so günstige Gelegenheit entgehen lassen. Man muss gestehen, dass die Geschichte der Menschheit in den auf das Ende des Krieges gefolgten Tagen, Wochen und Monaten nichts weniger als in allem ruhmreich war.Radiobotschaft zum Heiligabend vom 24.12.1947; Dok. S. 69.
Diese Furcht vor dem Krieg wird jedoch nie verschwinden, solange es in der großen Völkerfamilie auch nur ein einziges Glied gibt, das den sittlichen Sinn für unveräußerliche Menschenrechte verwirft und sein Macht rein dazu gebraucht, seine Bürger zu einer Art Eigentum zu erniedrigen, das von einem Staat abhängt, der keine Gewalt über sich und außer sich anerkennt.Ansprache an Senatoren der USA-Regierung vom 17.11.1949; Dok. S. 84.
Wenn wir all das bedenken, drängt sich die Frage auf: Was hat Christi Beispiel die Menschen gelehrt? Wie stellte sich Christus während seines Lebens zu Armut und Elend? ... Gewiss fragt er nicht, ob und inwieweit das Elend, das sich vor ihm auftat, zu Lasten oder Schuld oder des Versagens der politisch-wirtschaftlichen Ordnung seiner Zeit ging. Jedoch nicht, als ob ihm diese gleichgültig gewesen wäre. Im Gegenteil, er ist der Herr der Welt und ihrer Ordnung. Wie aber sein Erlöserwirken persönlich war, so wollte er auch den anderen Formen des Lebens mit seiner tätigen Liebe von Person zu Person entgegentreten. Das Beispiel Jesu ist heute wie jederzeit eine strenge Verpflichtung für alle.Weihnachtsbotschaft vom 24.12.1952; Dok. S. 111.
In ihrem Verlauf (der Weltkriege mit ihren Erfahrungen und Nachwirkungen) haben sich im Innern der Länder und zwischen den Ländern, und als sich die politischen Machtsysteme frei entfalten konnten, Dinge ereignet, deren einziges Gesetz Gewalt und Erfolg waren: es zeigte sich damals ein unter normalen Umständen unvorstellbarer Zynismus bei der Verfolgung des erstrebten Zieles und der Ausschaltung des Gegners. Dieser wurde allgemein nicht mehr als Mensch betrachtet. Nicht blinde Naturkräfte, sondern Menschen haben, bald in wilder Leidenschaft, bald mit kalter Berechnung, unsagbares Leid, Elend und Vernichtung über einzelne Gemeinschaften und Völker gebracht.Ansprache an die Teilnehmer des 6. Internationalen Kongresses für Strafrecht v. 3.10.1953; Dok. S. 122.
Die ganze Welt, West und Ost, ist Gottes Herrschaftsgebiet. Christus ist der Herr der Welt. Er allein und niemand anderer. Ihr wusstet euch vereint mit allen in West und Ost, die den lebendigen, persönlichen Gott anbeten. Ihrer sind auch im Osten, auch hinaus über die Gemeinschaften eurer Glaubensbrüder dort selbst, immer noch unzählige. Aber nicht nur ihnen, auch jenen, die fern von Gott leben, auch ihnen hattet ihr etwas Großes anzubieten: Euer Beten, euer Sühnen und euer Opfern.Botschaft an die Teilnehmer des 78. Deutschen Katholikentages in Berlin vom 17.08.1958; Dok. S. 171.
2. Über den Imperialismus als Ursache der Völkervertreibung
Schlesien, der Boden, auf dem zwei große Kulturen sich berühren und in ihrer Berührung wechsel- und schicksalsvolle Geschichte geformt haben... Das schlesische Volk von heute, das nicht nur die sterblichen Überreste seiner Schutzfrau (St. Hedwig), sondern auch ihren Geist als teuerstes Erbe der Vergangenheit hütet, das Glaubenstreue, Güte und Freigebigkeit als besondere Merkmale seines Volkstums bewahrt hat ... Breslau, die alte, auf eine fast 1000-jährige Geschichte zurückblickende Bischofsstadt an der Oder, der östliche Brennpunkt der Germania catholica mit seinen herrlichen Herz und Gemüt erhebenden Heiligtümern, das alles musste Mir die Fahrt nach Schlesiens Hauptstadt und die Teilnahme an ihrer festlichen Tagung zu einem erwünschten und frohen Ereignis werden lassen.Ansprache bei der 65. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands in Breslau vom 22.08.1926; Dok. S. 11.
Dieses Gelöbnis (der in Gott geadelten Gemeinschaft zu dienen) schuldet die Menschheit den zahllosen Toten, die im Boden der Schlachtfelder ruhen. Das Opfer ihres Lebens bei der Erfüllung ihrer Pflicht ist dargebracht für eine bessere Gemeinschaftsordnung. Dieses Gelöbnis schuldet die Menschheit der unabsehbaren Trauerschar von Müttern, Witwen und Waisen, denen das Licht, der Trost und die Stütze ihres Lebens geraubt wurde. Dieses Gelöbnis schuldet die Menschheit den unzähligen Verjagten, die der Sturmwind des Krieges aus ihrem Heimatboden entwurzelt und in fremde Länder verweht hat, wo sie mit dem Propheten klagen können: "Unser angestammtes Erbe ist den Fremden zuteil geworden, unsere Häuser den Unbekannten." (Jer. Klgl. 5, 2)Rundfunkansprache vom 24.12.1942; Dok. S. 25
Wir selbst haben daher in Unserer Eigenschaft als damaliger apostolischer Nuntius in Deutschland im Jahre 1926 auf dem Breslauer Katholikentag die schlesischen Katholiken als "Erben der Liebe der Heiligen Hedwig" bezeichnet.Apostolisches Schreiben, durch das die Hedwigskirche in Trebnitz (Schlesien) zur "Basilica Minor" erhoben wurde, vom 15.07.1943; Dok. S. 26.
Dieser Krieg und das, was zwangsläufig oder willkürlich mit ihm zusammenhängt, haben zur ungeheuerlichsten und tragischsten Völkerwanderung geführt, die die Geschichte kennt.Rundfunkbotschaft vom 1.09.1944; Dok. S. 33.
Wenn wir nun auch an euer aller Angst und Leid ewigen Anteil nehmen, so möchten Wir doch Unser sorgendes Herz besonders den Berlinern und den Bewohnern des östlichen Deutschlands offenhalten. Wir kennen ja ihr herbes Geschick und schauen geradezu mit Unseren Augen jene schreckliche Zerstörungen und Verwüstungen, die das Endstadium des Krieges jenen blühenden Provinzen, Städten und Gemeinden in so beklagenswerter Weise gebracht hat. Vor allem beklagen Wir mit euch die unwürdigen Gewalttaten und Unbilden, die nicht wenige Frauen und Mädchen aus Deutschland über sich ergehen lassen mussten.Schreiben an Kardinal v. Faulhaber, Erzbischof von München-Freising und den Deutschen Episkopat vom 1.09.1945; Dok. S. 40.
Diese unheilvolle Art von Verschiebungen ist heute leider an der Tagesordnung. Aber auch sie wächst in ihren alten und neuen Formen auf mannigfache Art, unmittelbar oder mittelbar, aus der imperialistischen Sucht der Zeit.Ansprache an die Kardinäle vom 20.02.1946; Dok. S. 46.
Was nun die beiden ... Gruppen betrifft, die Ausgewiesenen oder jene, die fern von ihrer Heimat zu leben gezwungen sind, manchmal in Gebieten, die bereits eine größere Bevölkerungszahl haben, als ihre Landwirtschaft und Industrie in normalen Zeiten zu ernähren vermochten, ... so spüren Wir fühlbarer denn sonst einen gewaltigen Schmerz, da Wir sehen, wie sich die menschliche Gesellschaft mehr denn je von Christus entfernt hat. Gleichzeitig fühlen Wir ein unsägliches Mitleid beim Anblick des Unglücks ohnegleichen...Ansprache an das Kardinalskollegium vom 1.06.1946; Dok. S. 53.
Wie lebendig ist Uns noch vom Jahre 1926 her die Erinnerung an die stolze Heerschau des katholischen Deutschlands in Breslau, die ja in der Hauptsache eine Heerschau des katholischen deutschen Ostens war, ein "gewaltiger Ausdruck katholischen Denkens und treuer Hingabe an Kirche und Papst" , wie Wir selbst damals, von Breslau nach Berlin zurückgekehrt, ergriffen an den Hochseligen Kardinal Adolf Bertram schrieben. Nur mit Wehmut können Wir heute jener Tage gedenken, angesichts des furchtbaren Verhängnisses, das inzwischen über die ostdeutsche Bevölkerung hereingebrochen ist.Schreiben an die Deutschen Bischöfe vom 1.03.1948; Dok. S. 73
Der wiederholte, öffentliche Ausdruck Unserer ängstlichen Sorge um die Lösung des Problems, das man allzu viel gefühllos "Flüchtlingsproblem" zu nennen sich angewöhnt hat, wird bezeugen, dass Wir solchen Tatsachenforschungen ... die Bedeutung ... und die Würde einer Mission des Erbarmens zuerkennen. Aber gewiss wird weder der Gerechtigkeit noch dem Erbarmen gedient, wenn die Erforschung der Tatsachen nur zur Aufdeckung von Fehlern führt. Offensichtlich ist es zu spät und nutzlos, lediglich zu erschrecken oder wirklich zu protestieren... Den Sinn des Lebens unschuldiger Brüder und Schwestern vereitelt das Elend von Millionen, die sich mit dem furchtbaren Namen "Vertriebene" (expellées) nennen lassen müssen, sind nicht mehr einfach ein Gegenstand für Beschämung und Bedauern... Hier geht es um mehr als um einen dringenden Anspruch an das christliche Mitleid. Sie haben es selbst sehen und beurteilen können: dringender denn je sind in diesem Augenblick die Leiden der sogenannten "Vertriebenen" eine Aufforderung zu sofortigem und verantwortlichen gemeinschaftlichem Handeln.Ansprache vor verschiedenen Delegationen beider Häuser des USA-Parlaments vom 2.10.1949; Dok. S. 82.
Alle beklagenswerten Heimatlosen, derentwegen Wir uns stets beunruhigen, haben wir ohne Unterlass dem ewigen Vater, Unserem geliebten Erlöser, der Quelle allen Trostes im Gebet empfohlen, auf dass sie durch himmlische Gunst und Tröstung gestärkt werden mögen, wie Wir auch Gott ununterbrochen bitten, dass "die Flüchtlinge, die Gefangenen und Heimatvertriebenen bald in das liebe Vaterland zurückkehren mögen."Apostolische Konstitution "Exsul Familia" vom 1.08.1952; Dok. S. 100.
Mit einem Federstrich ändert er (der Gewaltstaat) die Grenzen der Staaten. Mit einer unbedingten Entscheidung raubt er die Wirtschaft eines Volkes, die Teil seines nationalen Lebens ist, ein Teil seiner natürlichen Märkte. Mit schlecht verhüllter Grausamkeit vertreibt er Millionen von Menschen, Hunderttausende von Familien in tiefstem Elend von Haus und Hof, entwurzelt sie und reißt sie heraus aus einer Zivilisation und einer Kultur, die sie durch Generationen hindurch zu entwickeln sich bemüht haben.Ansprache an das Hl. Kollegium vom 24.12.1952; Dok. S. 45.
Die Weltkriege, welche die Menschheit erlebt hat, ... haben ... zum Teil sehr schwere Untaten gezeitigt, die ein internationales Strafrecht unmöglich machen oder von denen es die Staatengemeinschaft befreien sollte. So sind auch in einem gerechten und notwendigen Krieg nicht alle wirksamen Mittel für einen Menschen mit gesundem und vernünftigem Rechtsempfinden annehmbar.Ansprache an die Teilnehmer des 1. Internationalen Kongresses für Strafrecht vom 3.10.1953; Dok. S. 122.
3. Vom Wert der Heimat, ihren Sitten, Überlieferungen und Gebräuchen.
Wenn Wir ... von neuem alle feindlichen Lager bitten und beschwören, sich stets der Pflichten der Menschlichkeit bewusst zu sein, die auch angesichts des Kriegsrechts und der Kriegsmoral in ihrer Geltung nichts verlieren – weshalb derselbe große Kirchenlehrer (Augustinus) sagt, dass "ein Versprechen, wenn es gegeben wird, auch dem Feinde gegenüber erfüllt werden muss, gegen den man Krieg führt" (Epist. 189, n. 6 – Migne Pl. II 2, 856) – so ist Unser Wort und Unser Werk nicht parteiisch, sondern Wir erfüllen eine Pflicht, die Uns die Wahrheit und Liebe auferlegen, zu der Uns Wohlfahrt und Gedeihen aller zwingen, die das Amt des Vaters als vom Christus Erlösten Uns anvertraut.
Kein Volk ist frei von der Gefahr, dass einige seiner Söhne sich hinreißen lassen und dem Dämon des Hasses Opfer bringen. Das Wichtigste ist das Urteil, das die öffentliche Autorität über solche Entgleisungen und Ausartungen des Kampfgeistes fällt und die Bereitwilligkeit, denselben Einhalt zu gebieten.
Einer Autorität, die des Namens würdig ist, kommt es zu, dafür zu sorgen, dass die ungetrübte Würde des Verstandes nicht vermindert wird, wenn das Schlachtfeld sich über die eigenen Grenzen hinaus ausdehnt; denn sie diktiert jene höchsten Grundsätze: das Gute fördern und das Böse einzudämmen.Ansprache an die Kardinäle vom 2.06.1940; Dok. S. 16.
Der Mensch, so wie Gott ihn will und die Kirche ihn umfängt, wird sich ohne Bodenständigkeit und Überlieferung nie ihn Raum und Zeit fest verwurzelt fühlen. Hier finden die Starken den Quell ihrer frischen und fruchtbaren Lebendigkeit, und die Schwachen, die immer in der Mehrzahl sind, Sicherung vor Kleinmut und Stumpfheit, vor dem Abfall von ihrer Menschenwürde. Die lange Erfahrung der Kirche als Erzieherin der Völker bestätigt dies... Der Schiffbruch so vieler Seelen gibt leider dieser mütterlichen Besorgnis der Kirche recht und drängt zur Schlussfolgerung, dass Bodenständigkeit und Verwurzelung in den ererbten Überlieferungen unabdingbar für den gesunden, fertigen Menschen zu den grundlegenden Bestandteilen der menschlichen Gesellschaft gehören. Es hieße aber offensichtlich die Wohltat, die diese Forderung in sich schließt, hinfällig machen, ja in ihr Gegenteil verkehren, wollte sich jemand ihrer bedienen, um ... die Verweigerung des ... (...) rechtes ... zu rechtfertigen.Ansprache an die Kardinäle vom 2.02.1946; Dok. S. 46.
Der Materialismus ist ... seelische Heimatlosigkeit. Millionen von euch haben die Bitternis des Verlustes der irdischen Heimat durchkosten müssen, jenes Flecken auf der Erde, wo das elterliche Haus stand, wo die Väter und Vorväter als freie Menschen zufrieden lebten. Der Materialismus macht aus der Heimatlosigkeit wieder einen Grundsatz und fügt zur irdischen die seelische. Ihm ist der Mensch nur ein Quäntchen Materie. Die Materie kann man aber umsetzen und vertauschen, wie und wo man will. Wie viele von euch haben die Praxis dieses Grundsatzes erschütternd an sich erfahren müssen!Sendschreiben an den 75. Deutschen Katholikentag in Berlin vom 10.08.1952; Dok. S. 105.
Kommt die Rede auf das Thema "Brauchtum", so denken viele nur an ein gewisses Überleben alter Zeiten, das zwar ohne Zweifel würdig sei, bei außerordentlichen Anlässen in seiner Bedeutung unterstrichen zu werden, für das jedoch das Leben von heute kein großes Interesse besitze. Dass eine derartige Auffassung so weitgehend verbreitet ist, kennzeichnet nur eine der bedauerlichsten Folgeerscheinungen der Zivilisation unseres Jahrhundertes. Zu oft reißt die moderne Gesellschaft den Menschen aus seiner natürlichen Umgebung heraus, um ihn in die Stadt zu verpflanzen oder aus seiner Heimat zu vertreiben. Sie stellt ihn den ungeheuren Industrieunternehmungen oder dem Riesenbetrieb der Verwaltung zur Verfügung. Sie versetzt ihn in unorganische Menschenansammlungen, je nach der örtlichen Lage der Produktionsmittel. Selbst wenn sie die Familie nicht zerstückelt, nimmt man sie aus dem Boden, in den die vorangegangenen Generationen sie hineingesenkt hatten.
Zweifellos handelt es sich hier um eine Wirklichkeit, mit der sich die Gesellschaft, vorläufig wenigstens, abfinden muss. Wir haben jedoch schon ... betont, dass der Beruf und seine Anforderungen nicht allein das Wesentliche der menschlichen Betätigung ausmachen. Über den Beruf hinaus gibt es andere Aufgaben, die Anforderungen an den persönlichen Reichtum von Geist und Herz stellen und die tiefsten Gefühle ansprechen, die mit den großen Ereignissen des menschlichen Lebens und mit jenen Freuden und Leiden verbunden sind, deren Wechsel den Episoden unserer täglichen Mühen ihren Rhythmus geben.
Diese Gefühle drängen danach, sich nach außen kundzutun, sich der Gemeinschaft mitzuteilen. Doch die Zivilisation, die dem Menschen die Gesetze der Maschine auferlegt, droht auch den normalen Lauf seiner Freiheit zu vergewaltigen. Sie schafft zu leicht das künstliche, egoistische, banale Vergnügen, das gebrauchsfertige Vergnügen, das keine Anstrengung, keinen Unternehmungsgeist erfordert und bei dem sich der einzelne in sich selbst zurückzieht, anstatt sich der Gemeinschaft hinzugeben.
Hier nun erhält die "Folklore" ihre wahre Bedeutung. In einer Gesellschaft, welche die gesündesten und fruchtbarsten Traditionen vergessen hat, bemüht sie sich, eine nicht von außen aufgedrängte, sondern aus der tiefsten Seele der Generation den Ausdruck ihrer eigenen Sehnsucht, Überzeugungen, Wünsche und Trauer, die glorreichen Erinnerungen der Vergangenheit und die Zukunftshoffnungen wiederzuerkennen. Der innerliche Reichtum eines Volkes pflanzt sich ganz natürlich im Gesamt seiner Bräuche, in Erzählungen, Legenden, Spielen und Aufzügen fort, wo sich die Pracht der Kleider und die Originalität der Gruppen und Gestalten entfaltet.
Die Seelen, die in dauernder Berührung mit den harten Forderungen des Lebens stehen, besitzen häufig instinktmäßig einen künstlerischen Sinn, der aus einfachem Material großartige Leistungen herauszuholen vermag. Bei diesen Volksfesten, wo das gediegenen Brauchtum seinen gebührenden Platz einnimmt, freut sich ein jeder des gemeinsamen Erbes und bereichert sich dabei noch mehr, wenn er sich dazu versteht, seinen Teil beizutragen. Wir dürfen nicht vergessen, dass in den christlichen oder ehemaligen christlichen Ländern der religiöse Glauben und das Volksleben eine Einheit bilden, die man mit der Einheit von Leib und Seele vergleichen kann. Wo diese Einheit sich heute aufgelöst hat, wo der Glaube schwach geworden ist, können da die volkstümlichen Überlieferungen, die ihres Lebensprinzips beraubt sind, sich erhalten oder künstlich wiederbelebt werden? In den Gegenden, in denen diese Einheit noch besteht, ist das Brauchtum aber kein merkwürdiges Überbleibsel einer vergangenen Zeit, sondern eine Äußerung des Lebens von heute, das erkennt, was es der Vergangenheit schuldet, und es zu bewahren und der neuen Lage geschickt anzupassen versucht...
Möchten Sie doch die ganze Tragweite Ihrer Rolle erkennen: den von den so häufig falschen, mechanisierten Vergnügungen übersättigten Menschen den Geschmack an Entspannungen wiederzugeben, die reich an ursprünglichsten menschlichen Werten sind.
Sie halten die Seele Ihres Volkes wach, indem Sie sie vor kultureller Trägheit bewahren, diesem Zerfallszeichen eines sozialen Organismus. Gleichzeitig stärken Sie sich Ihre Fähigkeit, die eigenen Formen anderer Kulturen zu schätzen, in ihnen den tiefen Sinn zu erahnen und ihren ursprünglichen Wert zu erkennen. Die gegenseitige Achtung, die aus einer solchen Haltung hervor wächst, wird sicherlich die Anstrengungen jener mächtig fördern, die welche die Einheit der Völker durch wirtschaftliche, soziale und politische Verträge und Abmachungen sicherzustellen suchen. Die göttliche Vorsehung walte schützend über Ihnen und Ihren Unternehmungen, über Ihren Familien und allen, die Ihnen teuer sind. Ansprache an Folkloristische Gruppen aus verschiedenen Ländern vom 19.07.1953; Dok. S. 119-122.
Die Kirche möchte Menschen bilden, die in ihrer unantastbaren Integrität als Ebenbilder Gottes geschaffen sind: ... Menschen, die eng mit ihrer Heimat und ihrer Tradition verbunden sind. Das ist die Ansicht der Kirche.Ansprache an den Historikerkongress in Rom vom 7.09.1955; Dok. S. 130.
4. Vom Vaterland und der Vaterlandsliebe
Die Kirche Jesu Christi bewahrt mit größter Treue die erzieherische Weisheit Gottes. Daher kann sie nicht daran denken und denkt nicht daran, die für jedes Volk eigentümlichen Sonderwerte anzutasten oder minder zu achten, die von jedem mit empfindsamer Anhänglichkeit und mit begreiflichem Stolz gehegt und als kostbares Vätergut betrachtet werden. ... Die Kirche begrüßt freudig und begleitet mit mütterlichem Wohlwollen jede Entfaltung solcher eigengearteter Kräfte und Bestrebungen, die im innersten Eigensein jedes Volkstums wurzeln... Auch der göttliche Meister zeigte durch sein Beispiel, dass er der Heimat und dem Vaterland in besonderer Weise zugetan war. Er weinte ob der drohenden Verwüstung der heiligen Stadt.Rundschreiben Summi pontificatus vom 3.03.1939; Dok. S. 12-13.
Heute beispielsweise besteht die Gefahr, dass das edle und berechtigte Gefühl der Vaterlandsliebe bei nicht wenigen ausartet in eine Sucht nach Rache, in unersättlichen Stolz bei den einen, in unheilbaren Groll bei den anderen. Verteidigt auch der Christ treu und tapfer seine Heimat, so muss er sich doch enthalten, die zu hassen, gegen die er zu kämpfen hat.Ansprache an Neuvermählte vom 10.07.1940; Dok. S. 20.
Wenn Ihr aber nunmehr frag, wo im Vaterland die "starken Wurzeln Eurer Kraft" liegen, so lautet die Antwort: sie liegen – nicht allein, aber vor allem anderen – in dem christlichen Unterbau, der das Gemeinwesen, seine Verfassung, seine soziale Ordnung, sein Recht und seine gesamte Kultur trägt, und dieser christliche Unterbau ist durch nichts zu ersetzen, nicht durch Macht und nicht durch politische Höchstleistungen.Ansprache an Schweizer Pilger vom 16.05.1947; Dok. S. 62.
Ein lastendes Erbe der Vergangenheit, eine mühsam gewonnene und behauptete Gegenwart, eine sorgenumdunkelte Zukunft kennzeichnet die Lage Eures (deutschen) Vaterlandes. Zweifach ist die Gefahr, die hier der Jugend droht: selbstsüchtig, nur in sich gekehrt, entziehen sich die einen nach Möglichkeit der Verpflichtung für das Vaterland. Sie stehen den Dingen des öffentlichen Lebens teilnahmslos gegenüber und suchen ausschließlich, irgendwie und irgendwo ihr eigenes Wohlergehen. Andere erwarten und erstreben nur schnelle Lösungen, einen Aufstieg von heute auf morgen. Katholische Jugend darf weder zu den einen noch zu den anderen gehören.Schreiben an die Katholische Jugend Deutschlands vom 23.05.1952; Dok. S. 95.
Zu schnell hat man die ungeheuer gehäuften, von diesem Staatstyp (des schrankenlosen Gewaltstaats) erpressten Opfer an Leben und Gut sowie den von ihm auferlegten erdrückenden wirtschaftlichen und seelischen Lasten vergessen. Aber das Wesen dieses Irrtums besteht in der Verwechslung nationalen Lebens im eigentlichen Sinne mit nationalistischer Politik: das erste, Recht und Erbe eines Volkes, kann und soll gefördert werden; die zweite, die Keim unendlichen Übels ist, wird man nie genugsam abweisen. Das nationale Leben ist an sich die Heimat aller jener Kulturwerte, die eigentümlich und charakteristisch für eine bestimmte Gruppe sind und das Band ihrer geistigen Einheit bilden. Gleichzeitig bereichert es als ein besonderer Beitrag die Kultur der ganzen Menschheit.
Seinem Wesen nach ist das nationale Leben also etwas Unpolitisches, ja, wie die Geschichte und praktische Erfahrung beweisen, kann das nationale Leben sich neben anderen im Bereiche desselben Staates entwickeln, sich aber auch über dessen politische Grenzen hinaus erstrecken. Das nationale Leben wurde erst dann zum Prinzip der Auflösung der Völkergemeinschaft, als man anfing, es als Mittel zu politischen Zwecken auszunutzen, d. h. also, als der zentral - organisierte Machtstaat das Nationale zur Grundlage seiner Expansion, seines Ausbreitungsdrangs machte. Damit haben wir den nationalistischen Staat, Keim von Rivalitäten und Zündstoff von Zwietracht.Weihnachtsbotschaft vom 24.12.1954; Dok. S. 127.
Es handelt sich nicht darum, die Vaterländer abzuschaffen, noch willkürlich die Rassen zu verschmelzen. Die Vaterlandsliebe entspringt unmittelbar den Naturgesetzen, die im überlieferten Text der Gebote Gottes zusammengefasst sind: "Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass Deine Tage lange werden auf dem Boden, den der Herr, Dein Gott, Dir gegeben hat". (Ex 20, 12).Ansprache an die Mitglieder des Parlaments der Montanunion vom 3.11.1957; Dok. S. 159
Heute begegnet man mitunter Bürgern, die beinahe Angst haben, sich dem Vaterland besonders ergeben zu zeigen. Wie wenn die Liebe zum Vaterland zwangsläufig Geringschätzung anderer Länder bedeuten, wie wenn der natürliche Wunsch, das eigene Vaterland schön, im Innern blühend, nach außen geachtet und geschätzt zu sehen, unvermeidlich ein Grund zur Abneigung gegen andere Völker sein müsste. Es fehlt sogar nicht an Leuten, die sich hüten, das Wort "Vaterland" auszusprechen, und es durch andere, unserer Zeit, wie sie meinen, angepasstere Namen zu ersetzen suchen... Gewiss ... man muss sagen, dass diese verringerte Liebe zum Vaterland, zu dieser Euch von Gott geschenkten größeren Familie, nicht das letzte unter den Zeichen einer Geistesverwirrung ist... Tut großmütig, was ihr könnt, um ... (euch) zusammenzuschmieden zu einer Nation, die in der Ruhe der Ordnung lebt und arbeitet.Ansprache an die picenische (märkische) Volksgruppe Italiens in Rom vom 23.03.1958; Dok. S. 165/66.
Andererseits schirmt sie (die Vaterlandsliebe) jedoch gerade gegen jeden ungesund übersteigerten Nationalismus ab; denn es liegt im Wesen des katholischen Denkens, die Würde jedes Menschen zu achten und neben dem eigenen auch jedem anderen Volk Gerechtigkeit und Anerkennung des ihm eigentümlichen Guten und Wohlwollens entgegenzubringen.Brief an den Bischof von Basel und Lugano vom 15.04.1958; Dok. S. 168.
5. Hass, Rache und Vergeltung, die Triebkräfte der Gewaltanwendung
Möge so der blutige Kampf und die tragische Zerstörung des Glückes der Völker enden und durch so viele Trümmer und Tränen sich der Weg zeigen und öffnen zum Tempel eines gesunden Friedens, der nicht von Hass und Rache besiegelt ist, sondern den Stempel der edlen Majestät der Gerechtigkeit trägt.Ansprache an die Kardinäle vom 2.06.1940; Dok. S. 20.
Auch in öffentlichen Erklärungen zuständiger Autoritäten sind die Absicht und der Wille zum Ausdruck gekommen, der Welt nach Einstellung des Kampfes mit den Waffen einen für alle Nationen tragbaren Frieden zu geben. Wir wünschen und hoffen, dass die mit der fortschreitenden Verschärfung der Kampfmethoden verbundene Verlängerung des Krieges und die sich daraus ergebende schärfere Erregung und Verbitterung der Geister jene gesunden Gefühle schließlich nicht schwächen und ersticken. Sonst schwände mit ihnen auch die Bereitschaft, die Aufwallungen der Rache und des Hasses – "quae es inimica consilio" / "der dem weisen Rat widerstreitet" – der Majestät der Gerechtigkeit und der Billigkeit zu unterwerfen.Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1944; Dok. S. 31.
Es ist notwendig, dass der Hass, das Misstrauen und übertriebene nationale Hetze Platz machen dem Reifen weiser Entschlüsse, dem Erblühen friedlicher Pläne, der Sachlichkeit in der Auseinandersetzung im gegenseitigen brüderlichen Verstehen.Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1945; Dok. S. 37.
Die gegenwärtige Stunde verlangt gebieterisch die Zusammenarbeit, den guten Willen, das gegenseitige Vertrauen aller Völker. Hass, Rache, Rivalität, Gegnerschaft, hinterlistige und unehrliche Konkurrenz müssen als Motive aus den politischen und wirtschaftlichen Erörterungen und Entscheidungen ausgeschaltet werden.Ansprache an das Hl. Kollegium vom 24.12.1945; Dok. S. 44.
Die tiefe Erniedrigung, in die der schaurige Krieg das Menschengeschlecht geworfen hat, verlang gebieterisch überwunden und geheilt zu werden durch einen sittlich hochstehenden und untadeligen Frieden, der die kommenden Generationen lehrt, jeden Geist brutaler Gewalt zu bannen und der Idee des Rechts den Primat einzuräumen, der ihr in ruchloser Weise geraubt worden war...
Wenn wir zu den großen Grundsätzen der Gerechtigkeit zurückfinden wollen, die zum Frieden führen, müssen wir durch Bethlehem hindurch, müssen wir uns an das Beispiel und die Lehre dessen halten, der von der Wiege bis zum Kreuz keine höhere Sendung hatte als die, den Willen des himmlischen Vaters zu erfüllen, die Welt aus der Nacht des Irrtums und dem Schlamm der Schuld zu ziehen, wo sie damals elend lag und in ihr das Bewusstsein ihrer Unterworfenheit unter die Majestät des göttlichen Gesetzes als Norm rechten Denkens, als Antrieb starken Wollens, als Maß gesunden und gewissenhaften Handelns wiederzuerwecken.Weihnachtsansprache an das Kardinalskollegium vom 24.12.1946; Dok. S. 58.
Die zwangsweisen Deportationen ... galten damals (im Kriege) als eine Herausforderung der elementarsten Gesetze der Menschlichkeit, des Buchstabens wie des Geistes des Völkerrechts. Wen könnte es dann wundern, wenn dasselbe Gewissen, das sich berechtigt entrüstet hatte, als es derartige Handlungen von dem einen vollziehen sah, in gleicher Weise empfindet, wenn es sie an anderen begehen sieht?
Wer vermöchte ermessen, welch neues Elend auf dem Gebiete der Moral in der Familie und in der Gesellschaft, welchen Schaden für das kulturelle und wirtschaftliche Gleichgewicht Europas, und nicht nur Europas, die zwangsweisen und unterschiedslosen Umsiedlungen der Bevölkerungen verursachen werden? Welche Bitternisse für die Gegenwart! Welche Besorgnis, denkt man an die Zukunft! Nur eine umfassendere Weise des Blickes, eine weisere und umsichtigere Politik von Seiten jener Männer, die das Schicksal der Welt in ihren Händen tragen, werden für ein sonst unlösbares Problem eine erträgliche Lösung finden können.Radiobotschaft vom 24.12.1947; Dok. S. 69.
Ihm vertrauen Wir, der die Herzen der Sterblichen durch sein Licht erleuchten, der ihren aufgepeitschten Willen beugen und zu maßvollem Planen lenken kann. Nur so wird die rechte Ordnung unter den Nationen fest gegründet, zum größeren Nutzen aller Beteiligten und unter Beachtung der rechtmäßigen Ansprüche aller Interessierten. Alle mögen bedenken, vor allem, in deren Hände die Geschicke der Völker gelegt sind, dass nie in aller Welt bleibende Werte aus einem Krieg entstehen, wohl aber eine Fülle von Opfern und Elend; denn nicht durch Waffengewalt, nicht durch Blutvergießen und nicht durch Zerstörung wird der Streit unter den Menschen geschlichtet, sondern nur durch Vernunft, Gerechtigkeit, Klugheit und Billigkeit.Enzyklika "Laetamur admodum" vom 1.11.1956; Dok. S. 146.
6. Zur Frage der "Kollektivschuld"
Wenn sie (die Gerechtigkeit) sich aber anmaßen wollte, nicht Einzelpersonen, sondern kollektiv ganze Gemeinschaften zu richten und verurteilen, wer könnte in einem derartigen Vorgehen nicht eine Verletzung der Regeln sehen, die in jedem menschlichen Gericht maßgebend sind?Radiobotschaft an die Welt vom 24.12.1944; Dok. S. 36.
Mit den Schuldigen dürfen nicht auch die Schuldlosen bestraft werden.Schreiben an Kardinal v. Faulhaber und Deutschen Episkopat vom 1.11.1945; Dok. S. 40.
Wir sind sehr wohl unterrichtet über die überaus traurigen Vorkommnisse, die sich in Ostdeutschland in den letzten Monaten (nach Kriegsende) ereignet haben.
Daher ermahnen Wir alle inständig, nicht Gewalt mit Gewalt zu vergelten , sondern die Macht des Rechts antworten zu lassen und ebenso unter Durchführung eines unverkürzten Prozessverfahrens mit den schuldigen und deshalb straffälligen Menschen nicht jene Schichten der Bevölkerung zusammenzuwerfen, die, wie bei anderen Völkern, so auch bei Euch, weder Schuld am Kriege tragen, noch irgendein Verbrechen begangen haben.Schreiben an Kardinal v. Faulhaber vom 1.11.1945; Dok. S. 41.
"Wer darf sagen" – so fügen Wir mit der Heiligen Schrift bei (Spr. 20, 9-10) – : "Ich habe ein reines Gewissen, ich bin frei von Schuld? Zweierlei Gewicht und Zweierlei Maß: beides ist dem Herrn ein Gräuel."
Wer also Sühne für Schuld verlangt, durch gerechte Bestrafung der Verbrecher nach dem Maß ihrer Verbrechen, muss peinlich darauf achten, dass er nicht das Gleiche tue, was er den anderen als Schuld oder Verbrechen vorhält.Ansprache an das Hl. Kollegium vom 24.12.1945; Dok. S. 44.
Es gehen verhängnisvolle Irrtümer um, die einen Menschen für schuldig und verantwortlich erklären nur deshalb, weil er Glied oder Teil irgendeiner Gemeinschaft ist, ohne dass man sich die Mühe nimmt, nachzufragen und nachzuforschen, ob bei ihm wirklich eine persönliche Tat- oder Unterlassungsschuld vorliege.
Das heißt, die Rechte Gottes, des Schöpfers und Erlösers, sich anmaßen, der allein in den geheimnisvollen Plänen seiner immer gütigen Vorsehung vollkommener Herr des Geschehens ist und als solcher, wenn seine unendliche Weisheit es für gut hält, die Geschicke der Schuldigen und Unschuldigen, von Verantwortlichen und Nichtverantwortlichen verkettet.
Hinzu kommt, dass vor allem die wirtschaftlichen und militärischen Verwicklungen aus der Gesellschaft gleichsam eine gigantische Maschine gemacht haben, die der Mensch selber nicht mehr meistert, die er geradezu fürchtet.Ansprache an die Kardinäle vom 20.02.1946; Dok. S. 47.
Die den Hauptschuldigen auferlegten verdienten Strafen hätten der Feder eines Dante Höllenbilder entlocken können; aber der große Dichter wäre vor den an Schuldlosen verübten Vergeltungsmaßnahmen zurückgeschreckt.Radiobotschaft am Heiligabend vom 24.12.1947; Dok. S. 70.
Besondere Berücksichtigung werden immer die Ostflüchtlinge verdienen, die aus ihrer Heimat im Osten zwangsweise und unter entschädigungsloser Enteignung ausgewiesen und in die deutschen Zonengebiete überführt wurden. Wenn Wir auf sie zu sprechen kommen, so beschäftigt Uns hier nicht so sehr der rechtliche, wirtschaftliche und politische Gesichtspunkt jenes in der Vergangenheit Europas beispiellosen Vorgehens. Über die genannten Gesichtspunkte wird die Geschichte urteilen. Wir fürchten freilich, dass ihr Urteil streng ausfallen wird. Wir glauben zu wissen, was sich während der Kriegsjahre in den weiten Räumen von der Weichsel bis zur Wolga abgespielt hat. War es jedoch erlaubt, im Gegenschlag 12 Millionen Menschen von Haus und Hof zu vertreiben und der Verelendung preiszugeben?
Sind die Opfer jenes Gegenschlages nicht in der ganz überwiegenden Mehrzahl Menschen, die an den angedeuteten Ereignissen und Untaten unbeteiligt, die ohne jeden Einfluss auf sie gewesen sind? Und war jene Maßnahme politisch vernünftig und wirtschaftlich verantwortbar, wenn man an die Lebensnotwendigkeit des deutschen Volkes und darüber hinaus an den gesicherten Wohlstand von ganz Europa denkt?
Ist es wirklichkeitsfremd, wenn Wir wünschen und hoffen, es möchten alle Beteiligten zu ruhiger Einsicht kommen und das Geschehene rückgängig machen, soweit es sich noch rückgängig machen lässt?Schreiben an die deutschen Bischöfe vom 1.03.1948; Dok. S. 72.
Unsere vordringliche Besorgnis – und Wir sind sicher, es ist auch im tiefsten Herzen die Ihrige – bezieht sich auf das Urteil der Geschichte und des Herrn der Geschichte hinsichtlich der Erfüllung der sehr schwerwiegenden Pflicht von Mensch zu Mensch und von Volk zu Volk, die Achtung vor dem Ebenbild Gottes auch in dem armseligsten und verlassensten seiner Kinder verlangt.
Keine Staatsräson und kein Vorwand des allgemeinen Nutzens kann ... dazu dienen, die Missachtung der Menschenwürde und die Verweigerung der grundlegenden Menschenrechte zu rechtfertigen, die der Schöpfer in die Seele jedes seiner Geschöpfe eingeprägt hat.Ansprache vor verschiedenen Delegationen beider Häuser des USA-Parlaments vom 2.10.1949; Dok. S. 83.
Man kann weiter Unrecht, Gewalttat und Grausamkeit rückhaltlos verurteilen, auch wenn sie zu Lasten des eigenen Volkes gehen.
Vor allem aber soll ein jeder sich darüber klar sein: für die Taten der Vergangenheit sind die heutigen Generationen nicht verantwortlich, nicht die eigenen Nation und nicht die andere.
Was den Ablauf der Geschichte, auch das furchtbarste Vergehen der Vergangenheit angeht, so habt Ihr es doch gesehen und erlebt es täglich, dass die Völker als Ganzes dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Gewiss, sie müssen ihr Kollektivschicksal tragen, was aber die Verantwortung angeht, so erlauben der Aufbau der modernen Staatsmaschine und die fast unentwirrbare Verkettung der wirtschaftlichen und politischen Dinge es dem "kleinen Mann" nicht, wirksam auf die politischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Er kann höchstens durch seinen freien Wahlzettel die allgemeine Richtung der Politik mitbestimmen, und auch das nur in beschränktem Maße.
Wir haben zu wiederholtem Male darauf bestanden: man ziehe möglichst die Schuldigen zur Verantwortung; man scheide jedoch gerecht und sauber zwischen ihnen und dem Volk als Ganzem.
Massenpsychosen sind auf beiden Seiten vorgekommen. Man muss sie hinnehmen. Es ist dem einzelnen sehr schwer, sich ihnen zu entziehen und seine Freiheit von ihnen nicht antasten zu lassen.Ansprache an die Mitglieder der Pax-Christi-Bewegung in Rom vom 13.09.1952; Dok. S. 107.
Rückblickend in die Vergangenheit gehört zum Mitschaffen an dieser Atmosphäre (neuen gemeinsamen Denkens) eine ruhigere Beurteilung der nationalen Geschichte, des eigenen Vaterlandes wie der Geschichte des anderen oder der anderen Länder. Die Ergebnisse einer genauen Geschichtsforschung, die von Fachmännern auf beiden Seiten anerkannt werden, müssen der Maßstab dieser Beurteilung sein. Siege und Niederlagen, Bedrückung, Gewalttaten und Grausamkeiten, wie sie sich wahrscheinlich auf der einen wie auf der anderen Seite im Laufe der Jahrhunderte vorfinden, sind geschichtliche Tatsachen und bleiben es.
Dass eine Nation auf ihre Siege stolz ist, wer wird es ihr verdenken? Dass sie die Niederlagen als Unglück betrauert, ist ein natürliches Empfinden, eine Frucht gesunder Vaterlandsliebe. Verlangt nichts Unmögliches voneinander, auch keine unechten und unwahren Gesinnungen. Aber jeder kann für das Empfinden auch der anderen Nation Achtung und Verständnis aufbringen.Ansprache an die Mitglieder der Pax-Christi-Bewegung in Rom vom 13.09.1952; Dok. S. 107.
7. Über die unabdingbare Gültigkeit der Normen des Rechtes und der Gerechtigkeit
Die ganze Wahrheit der zwischenmenschlichen Beziehungen zu ermitteln, ist nie sehr leicht, und oft werden Schlussfolgerungen ausgesprochen, die sich bei einer umfassenderen und genaueren Kenntnis der Sachlage nicht mehr vertreten lassen. Die Schwierigkeit steigert sich noch, wenn ein langer und mit Erbitterung ausgetragener Krieg die niederen menschlichen Leidenschaften losgelassen hat und etwa nackte Gewalt die Gerechtigkeit hinwegfegte und Eigensucht die Liebe erstickte.
Auf einem solchen Wege wird ein dauerhafter Friede nie gefunden werden. Vor allen Dingen braucht es Menschen, die mit Klarheit die ewigen Grundsätze des Rechts anerkennen, deren Urteil zuverlässig und ruhig ist und welche die mutige Entschlossenheit besitzen, das ganze Gewicht ihrer Macht einzusetzen für die Verteidigung der gottgegebenen Rechte aller, selbst der schwächsten und ohnmächtigsten ihrer Mitmenschen. Gott gebe, dass die Führer dieser Welt von dieser Art seien.Ansprache an die Kardinäle vom 2.06.1940; Dok. S. 17.
(Sie) sind der Auffassung, und zwar nicht ohne Grund, dass es eine Art intellektueller Gerechtigkeit gebe, welche die Voraussetzung für eine brüderliche Welt darstellt ..., die man jeder aufbauenden Vereinbarung, jeder tiefer greifenden Zusammenarbeit, jedem internationalen Bündnis zugrunde legen muss.Radiobotschaft an die Welt vom 24.12.1944; Dok. S. 36.
Es gibt, auf die Gesamtlage gesehen, nur einen Ausweg aus der Verstrickung, in die Kampf und Hass die Welt verwickelt haben, nämlich die Rückkehr zu einer allzu vergessenen Solidarität, die nicht auf diese oder jene Völker beschränkt bleibt, sondern alle umfasst, eine Solidarität, die sich auf ihre Schicksalsgemeinschaft und auf die ihnen (den Völkern) in gleicher Weise zukommenden Rechte stützt.Ansprache an eine Kongresskommission der USA vom 21.08.1945; Dok. S. 39.
Die Gerechtigkeit muss die Fundamente jeglichen Wiederaufbaus und Wiedereingliederungswillen legen, und dann muss die Liebe das Werk weiterführen, bis zur Vollendung und Verfestigung, (bis) zur Sicherung dieser Gerechtigkeit und Liebe für alle, auch für die Schwachen und Ohnmächtigen.Ansprache an Mitglieder eines Kongresskomitees des außenpolitischen Amtes der USA-Regierung vom 1.09.1945; Dok. S. 39.
Sucht man also feste Gewähr für die Zusammenarbeit zwischen den Ländern, - wie auch übrigens für jede menschliche Zusammenarbeit im öffentlichen wie im privaten Bereich, im kleinen Kreis wie auf internationaler Ebene – so werden sich nur die Werte der geistigen Ordnung als wirksam erweisen. Sie allein werden es ermöglichen, über die Schwierigkeiten zu triumphieren, die aus unvorhergesehenen Umständen und noch häufiger aus der Bosheit der Menschen früher oder später hervorgehen. Unter den Völkern wie unter den einzelnen Personen hat nichts Bestand ohne wahrhafte Freundschaft...
In dieser Überzeugung wurzeln die Achtung vor dem Mitmenschen, der Sinn für seine unveräußerliche Würde und für gegenseitige Hilfe, die man sich schuldet, um diese Güter, die mit allen Reichtümern der Erde nicht zu bezahlen wären, zu gewährleisten und zu fördern.
Über dieses wirtschaftliche und politische Ziel hinaus muss sich das einige Europa die Behauptung und Verteidigung der geistigen Werte zur Aufgabe machen, die früher die Grundlage und Stütze seiner Existenz bildeten, die anderen Erdteilen und anderen Völkern zu übermitteln einstmals sein Beruf war, den es heute mit mühsamer Anstrengung wieder suchen muss, um sich selbst zu retten: Wir meinen, den echten christlichen Glauben als Grundlage der Zivilisation und der Kultur aller anderen.
Wir sagen das deutlich, weil Wir fürchten, dass Europa ohne das nicht die innere Kraft besitzen wird, gegenüber seinen viel mächtigeren Gegnern nicht nur die Reinheit seiner Ideale, sondern auch seine irdische und materielle Unabhängigkeit zu bewahren.Apostolische Konstitution "Exsul Familia" vom 1.08.1952; Dok. S. 100.
Je mehr sich die Gebiete erweitern, die der Kampf der Fremdherrschaft unterwirft, desto dringender wird die Verpflichtung, dort eine Rechtsordnung einzurichten, die im Einklang mit den Übereinkommen des Völkerrechts und vor allem mit den Forderungen der Menschlichkeit und Billigkeit steht.
Man darf nicht vergessen, dass neben den durch die wirkliche Kriegsnotwendigkeit gerechtfertigten Sicherheitsmaßnahmen das Wohl der unter Besatzung lebenden Völker bei der Ausübung der öffentlichen Gewalt ein verpflichtendes Gesetz ist.
Gerechtigkeit und Billigkeit fordern, dass diese Völker so behandelt werden, wie in einem ähnlichen Fall die Besatzungsmacht wünschen würde, die eigenen Volksgenossen behandelt zu sehen.
Für jene, die sich über die menschlichen Leidenschaften erheben wollen, ist es nicht schwer, aus diesen elementaren Grundsätzen der gesunden Vernunft die Folgerungen zu ziehen, nämlich eine Regelung der die besetzten Länder besonders betreffenden Fragen anzuordnen, die sowohl dem menschlichen und christlichen Gewissen wie auch wahrer Staatsweisheit entspringt: Ehrfurcht vor dem Leben, der Ehre und dem Eigentum der Bewohner, Ehrfurcht vor der Familie und ihren Rechten.Ansprache an Professoren und Studenten des Europa-Kollegs von Brüssel vom 15.03.1953; Dok. S. 114.
Sollte man nicht erwarten, dass alle Glieder der Menschheitsfamilie glücklich wären, sich in ihr gemeinsames persönliches Recht zu teilen, das älter ist als jeder Staat? Dass sie in gleicher Weise ihre heiligen Pflichten gegenüber dem Schöpfer erfüllen, wie sie ihr nationales Recht wahrnehmen, nämlich ihre eigene Kultur frei vom Albdruck feindlicher Gewalt zu entwickeln.Ansprache an Vertreter des Intern. Komitees für Einheit und Verallgemeinerung der Kultur vom 5.05.1956; Dok. S. 138.
Der christliche Friedenswille ist leicht erkennbar... Auf Gott und die von ihm festgesetzte Ordnung sich stützend, ist deshalb der christliche Friedenswille hart wie Stahl. Er ist von einer ganz anderen Prägung als das gewöhnliche Gefühl für Menschlichkeit, das zu oft nur eine reine Sentimentalität ist, den Krieg lediglich verabscheut wegen seiner Schrecken und Grausamkeiten, seiner Zerstörungen und Folgen, nicht auch wegen seiner Ungerechtigkeit.
Einem solchen Gefühl eudämonistischer und utilitaristischer Art und materialistischer Herkunft fehlt die feste Grundlage einer strengen und unbedingten Verpflichtung. Es schafft jenen Boden, auf dem der Betrug des unfruchtbaren Kompromisses, der Versuch, sich auf Kosten anderer zu retten und auf alle Fälle das Glück des Angreifers gedeihen.Ansprache an die Mitglieder des "Nato Defense College" vom 15.05.1958; Dok. S. 170.
Gibt es ein beredteres und erschreckenderes Anzeichen für die fortschreitende Vernichtung und Umwertung geistiger Werte, als die sich steigernde Auflösung der Rechtsnormen, die ersetzt werden durch die Gewalt, welche alle sittlichen und rechtlichen Impulse unterdrückt, fesselt und erstickt?Ansprache an die Mitglieder des "Nato Defense College" vom 15.05.1958; Dok. S. 170.
Dieser Kampf im geistigen Bereich geht bis ans Ende der Zeiten täglich und stündlich weiter. Jeder Mensch muss hier bereit sein, sich zu verteidigen, wenn er nicht überwältigt werden will... Ist es nicht bedrohlich festzustellen, dass eine solche Verteidigung notwendig ist? Dass Menschen ihre Mitmenschen der Rechte berauben wollen, die nichts anderes sind als die natürliche Entfaltung ihrer eingeborenen Würde als Person und die unendlich erhöht werden durch den Wert, die der göttliche Erlöser dieser Würde verliehen hat?Ansprache an das Kardinalskollegium vom 24.12.1958; Dok. S. 77.
Ein überzeugter Christ darf sich nicht in einem bequemen oder eigennützigen "Isolationismus" abkapseln, wenn er Zeuge der Not und des Elends seiner Brüder ist, ... wenn er Abirrungen eines sturen Nationalismus genau kennt, der die Verbundenheit der einzelnen Völker leugnet oder mit Füßen tritt, eine Verbundenheit, die jedwedem vielfältige Pflichten gegenüber der großen Völkerfamilie auferlegt.
Die katholische Lehre vom Staat und der bürgerlichen Gesellschaft beruhte stets auf dem Grundsatz, dass nach Gottes Willen die Völker insgesamt eine Gemeinschaft bilden mit gemeinsamem Ziel und gemeinsamen Aufgaben. Auch in einer Zeit, da die Verkündigung dieses Grundsatzes und seiner praktischen Folgerungen auf heftigsten Widerstand stieß, hat die Kirche der irrigen Auffassung von einer absolut autonomen, der sozialen Pflichten enthobenen Oberhoheit ihre Zustimmung versagt.Ansprache an das Kardinalskollegium vom 24.12.1958; Dok. S. 77.
Staatsoberhäupter, Vorsteher von Ämtern und alle rechtschaffenen und wohlwollenden Persönlichkeiten haben Wir entschieden gedrängt, die sehr schwierige Angelegenheit der Flüchtlinge und Emigranten mit Ernst zu prüfen und zu lösen , zugleich sich vor Augen zu stellen, welche Beschwerden alle Völker durch den Krieg erleiden und welche Mittel gegen so große Übel anzuwenden seien: schließlich zu überlegen, wie sehr es der Menschheit zum Segen gereichen würde, wenn sie mit vereinten Plänen und Kräften so vielen dringenden Nöten der Unglücklichen Abhilfe brächten, die Forderungen der Gerechtigkeit mit der Liebesordnung verbindend: "Viele soziale Ungerechtigkeit kann Liebe in etwa heilen; aber das genügt nicht. Notwendig ist, dass die Gerechtigkeit am Anfang stehe, die Herrschaft behauptet und vollkommen in die Tat umgesetzt werde.Rundschreiben über die Förderung der hl. Missionen, ‚Evangelii Praecones’ vom 2.06.1951
8. Hoffnungen und Erwartungen der Kirche
Was der Hl. Paulus vom menschlichen Leib sagt, findet seine Anwendung auch auf den internationalen Volkskörper: "Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit." (cf. 1 Kor. 12, 25)
Man kann dem einen Volke nicht ungestraft Unrecht zufügen, ohne dass die Rechte anderer Völker in Gefahr geraten. Ist ein Volk gewaltsam zu Tode gedrückt, wer vermöchte dann noch der übrigen Welt Sicherheit in einem dauernden Frieden zu versprechen?Ansprache an eine Kongresskommission der USA vom 21.08.1945; Dok. S. 38.
Wer Sicherheit für die Zukunft verlangt, darf nicht vergessen: die einzige, zuverlässige Sicherung liegt in der eigenen inneren Kraft, d. h. in der Sorge für die Familie, die Kinder, für die Arbeit, in der Bruderliebe, im Verzicht auf jeglichen Hass, auf jegliche Verfolgung oder ungerechte Bedrückung ehrsamer Bürger, in der aufrichtigen Verständigung von Staat zu Staat, von Volk zu Volk.Ansprache an das Hl. Kollegium vom 24.12.1945; Dok. S. 45.
Die durch den Krieg verursachten Wunden sind noch nicht vernarbt. Im Gegenteil, bestimmte von ihnen haben sich vertieft und verschärft. Hat man je, so viel von der allgemeinen Sicherheit gesprochen, die die Frucht des Sieges sein soll? Wo ist sie? Ist der Eindruck der Unsicherheit, die Furcht vor dem Kriege vielleicht verschwunden oder wenigstens vermindert?
Wenn man die Dinge betrachtet, wie sie in Wirklichkeit sind, muss man zugeben, dass es auch beim besten Willen nicht möglich ist, jetzt schon jene Sicherheit zu schaffen, die die Menschheit so heiß ersehnt. Aber dann treffe man doch nicht Nachkriegs- und Friedensmaßnahmen, die nichts zu tun haben mit der Bestrafung der Kriegsverbrecher, die aber doch bitterste Enttäuschung hervorrufen gerade bei denen, die keine Verantwortung tragen für die Schuld vergangener Systeme, die von diesen im Gegenteil selbst verfolgt und bedrückt wurden. Oder glaubt man vielleicht, den Aufbau der allgemeinen Sicherheit zu fördern, indem man in ihren Unterbau weithin Ruinen anhäuft, nicht nur materielle, sondern auch von lebenden Menschen? ...
Wir kennen leider den Umfang und die Schwere des namenlosen Grauens und der Verwüstung, womit das Antlitz Europas von einem besiegten System bedeckt worden ist. Wir wollen die Anhäufung seiner Schuld gewiss nicht verkleinern, aber wie können die siegreichen Völker ihrerseits die Methoden des Hasses und der Gewalt anwenden, aus denen jenes System lebte und handelte? Wie können sie Waffen gebrauchen, deren Benutzung durch andere ihre gerechte Entrüstung hervorrief? ...
Deshalb möchten Wir die Völker noch einmal warnen und mahnen. Die Sicherheit kann, soweit sie überhaupt in dieser Welt erreichbar ist, keine andere Grundlage haben als die: physische und sittliche Volkskraft, geordnete innerstaatliche Verhältnisse, und nach außen hin normale gutnachbarliche Beziehungen.
Nun ist es auch nach dem zweiten Weltkrieg immer noch möglich, solche normalen Beziehungen immer wieder anzuknüpfen. Mögen die Staatslenker die Gelegenheit sich nicht entgehen lassen. Sie könnte, wolle Gott es verhüten, die letzte sein!Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1947; Dok. S. 63.
Die Gewähr für die Zukunft verlangt, kurz zusammengefasst, folgendes: Gerechtigkeit, die auf beiden Seiten mit gleichem Maß misst. Was eine Nation, ein Staat aus elementarem Rechtsgefühl verlangt, worauf er nie verzichten würde, das möge er auch bedingungslos der anderen Nation, dem anderen Staat zugestehen. Ist das nicht eine Selbstverständlichkeit? Ja, aber die nationale Eigenliebe ist zu sehr und fast unbewusst geneigt, mit doppeltem Maß zu messen. Es bedarf der Übung im Denken und Wollen, um auf dem heiklen Boden der nationalen Auseinandersetzung immer sachlich zu bleiben. Ansprache an die Mitglieder der Pax Christi Bewegung in Rom vom 13.09.1953; Dok. S. 108.
Wir lehnen den Kommunismus als Gesellschaftsordnung kraft der christlichen Lehre ab. Wir müssen dabei insbesondere die Prinzipien des Naturrechts unterstreichen. Doch Wir ermahnen zu gleicher Zeit die Christen der industriellen Ära aufs Neue und im Geiste unserer letzten Vorgänger im höchsten Hirten- und Lehramt, sich nicht mit einem Antikommunismus zu begnügen, der sich nur auf das Schlagwort und auf die Verteidigung einer inhaltlosen Freiheit stützt.
Wir ermahnen sie vielmehr, jene Gesellschaft aufzubauen, in der die Sicherheit des Menschen auf jener sittlichen Ordnung beruht, deren Notwendigkeit und deren Auswirkungen Wir schon mehrmals dargelegt haben und die die wahre Menschennatur widerspiegelt.Weihnachtsbotschaft vom 24.12.1955; Dok. S. 133.
9. Wiederversöhnung und Ausgleich
Aber die Geduld ist auch ein Geschenk Gottes. Sie wird zur Beharrlichkeit, wenn sie nie nachlässt, sondern in gleichem Maße mit den Leiden und Unglücksfällen wächst. Deshalb ist die Geduld mit dem beharrlichen Gebet, die uns der göttliche Erlöser selbst so einschärft, verbunden.Ansprache an die Kardinäle vom 2.06.1940; Dok. S. 20.
Beten wir um einen Frieden für alle! Nicht um einen Frieden der Vergewaltigung und Vernichtung ganzer Völker, sondern um einen Frieden, der einerseits die Ehre aller Nationen verbürgt und andererseits ihren lebensbedrohenden Nöten und den berechtigten Ansprüchen aller gerecht wird.Radiobotschaft Ostern, 13.04.1941; Dok. S. 22.
Wahrer Friede ist nicht das sozusagen arithmetische Ergebnis eines Kräfteverhältnisses, sondern in seinem letzten und tiefsten Sinne eine sittliche und rechtliche Haltung. Die eigentliche Aufgabe ... wenn anders sie sittlich bestehen soll, muss dem Schutze und der Verteidigung, darf nicht der Schmälerung und der Unterdrückung des Rechtes dienen.Radiobotschaft zum Heiligabend vom 24.12.1943; Dok. S. 26.
Verlangt nicht von irgendeinem Mitglied der Völkerfamilie, auch wenn es schwach ist, Verzichtsleistungen auf wesentliche Rechte und Lebensnotwendigkeiten, die Ihr selbst für undurchführbar halten würdet, wenn man sie auf Euer Volk anwenden müsste.Radiobotschaft zum Heiligabend vom 24.12.1943; Dok. S. 27.
Gebet der bangenden Menschheit bald einen Frieden, der das Menschengeschlecht in Ehren vor sich selbst und vor der Geschichte wiederherstellt! Einen Frieden, an dessen Wiege nicht die Racheflammen des Hasses blitzen, nicht der Trieb eines ungezügelten Vergeltungswillens, sondern die Morgenröte eines neuen Geistes der Weltgemeinschaft aufleuchte, erwachsen aus dem Weltleid. Ein Gemeinschaftsgeist, der, getragen von der unentbehrlichen Gotteskraft des christlichen Glaubens, allein imstande sein wird, die Menschheit nach diesem unglücklichen Krieg vor dem Unheil eines "Friedens" zu bewahren, der auf irrige Grundlagen aufgebaut und daher kurzlebig und trügerisch wäre.Radioansprache zum Heiligabend vom 24.12.1943; Dok. S. 27.
Es erwacht in vielen der Eindruck und die Befürchtung, als gebe es für die Völker und Nationen als solche keine andere Wahl als diese: entweder völliger Sieg oder gänzliche Vernichtung... Deshalb ist es höchst bedeutsam, dass an die Stelle dieser Frucht die begründete Hoffnung auf ehrliche Lösung tritt: auf Lösungen, die weder vorläufig sind, noch giftige Keime neuer Erschütterungen und Gefahren für den Friede in sich bergen, sondern wahre und dauerhafte Lösungen, die von dem Gedanken ausgehen, dass heute wie in vergangenen Zeiten die Kriege schwerlich den Völkern als solchen zur Last gelegt und als Schuld angerechnet werden können... So sehr es in der Natur der Dinge liegen mag, dass die Übergangszeit zwischen dem Ende der Feindseligkeiten und dem formellen Friedensschluss, bis zur Erreichung einer Lage genügender sozialer Beständigkeit, vorwiegend von der Macht des Siegers über die Besiegten bestimmt sein wird, so vergisst und unterschlägt die weise und deshalb gemäßigte politische Kunst nicht, dem unterlegenen Teil die Hoffnung zu geben, dass auch dem eigenen Volk und seinen Lebensgrundlagen ein würdiger Platz geschaffen und rechtlich zugewiesen wird.Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1944; Dok. S. 30.
Die Seele eines Friedens, der dieses Namens würdig ist, und sein belebender Geist, kann nur eines sein: eine Gerechtigkeit, die mit unparteiischem Maßstab allen das gibt, was jedem gebührt und von allen das fordert, wozu jeder gehalten ist; eine Gerechtigkeit, die nicht allen alles gibt, die aber allen Liebe gibt und keinem Unrecht tut; eine Gerechtigkeit, die eine Tochter der Wahrheit ist und Mutter einer gesunden Freiheit und sicheren Größe.Rundfunkbotschaft vom 1.09.1944; Dok. S. 33.
Dieses Ziel ist der Friede, der wahre Friede, der dieses Namens würdig ist. Ein Friede, der gegründet und gesichert ist in Aufrichtigkeit und Rechtlichkeit, in Gerechtigkeit und Wirklichkeitssinn, ein Friede ehrlichen und entschlossenen Einsatzes, um jene wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu meistern oder ihnen vorzubeugen, die, wie sie es schon in der Vergangenheit taten, so auch in Zukunft leicht zu neuen bewaffneten Konflikten führen können; ein Friede, der von allen rechtlich Gesinnten jeden Volkes und jeder Nation gebilligt werden kann; ein Friede, den die kommenden Geschlechter mit Dankbarkeit als die glücklichste Frucht einer unglücklichen Zeit ansehen können; ein Friede, der einen säkularen entscheidenden Wendepunkt in der Bejahung der Menschenwürde und geordneten Freiheit darstelle; ein Friede, der wie eine "Magna Charta" ist, welche die dunkle Epoche der Gewalt abgeschlossen hat; ein Friede, der uns unter der barmherzigen Führung Gottes durch die zeitlichen Güter so hindurch gehen lässt, dass wir die ewige Seligkeit nicht verlieren (cf. Oratio Dom., post Pent)Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1945; Dok. S. 37.
Wer Wiedergutmachung will, muss sie fordern auf Grund der Sittenordnung, der Achtung vor den unverletzlichen Naturrechten, die auch jenen noch verbleiben, die sich dem Sieger bedingungslos ergeben haben.Ansprache an das Hl. Kollegium vom 24.12.1945; Dok. S. 45.
So gibt es augenblicklich Millionen von ehrenhaften und arbeitsamen Menschen, die mit einer ängstlichen Ungeduld den Augenblick der Rückkehr in ihr Vaterland ... abwarten.Ansprache an das Diplomatische Corps beim Vatikan vom 24.02.1946; Dok. S. 49.
Der Druck der Verhältnisse hat für die ostdeutschen Gebiete eine vorläufige Regelung der kirchlichen Verwaltung erzwungen.Brief an Bischof Maximilian Kaller vom 24.06.1946; Dok. S. 54.
Gegenüber der traurigen Wirklichkeit der unheilvollen und mannigfaltigen Gegensätze, die so bitter die Welt von heute zerfleischen und ihr den Zugang zum Frieden verbauen, wäre es gleichermaßen unverantwortlich, die Augen zu verschließen, um nicht zu sehen, oder Arme zu kreuzen, um nicht zu handeln, mit der Entschuldigung, dass ja doch nichts mehr zu machen sei. Nichts mehr zu machen? Wo doch gerade die Christen der zermürbenden und lähmenden Unentschlossenheit jene Furchtlosigkeit entgegensetzen können, die mehr als die glückliche Überfülle einer reichen Natur der Ausfluss einer übernatürlichen, aus den göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe genährten Kraft ist! Diese Kraft wird eine mächtige Strömung reiner Luft durch die Welt leiten und so die Atmosphäre von Panik und Katastrophenstimmung, die sie zu vergiften droht, verflüchtigen.
Die Augen werden sich der klaren Erkenntnis der Wahrheit und Gerechtigkeit weit öffnen. Die Ausweglosen werden, wenn sie nur ehrlichen und guten Willens sind, den Weg entdecken, um aus einer fast unerträglich gewordenen Lage herauszufinden und zum Ausgleich der scheinbar unüberwindlichen Gegensätze gelangen. Denn für jene, welche die Dinge im Lichte der göttlichen Weltordnung sehen, besteht kein Zweifel, dass es auch für die schwersten menschlichen und staatlichen Interessenkämpfe einen friedlichen Ausgleich gibt...
Seid Euch dieser Größe bewusst! Sie bedeutet Sendung, Aufgabe, Verantwortung!Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1947; Dok. S. 64.
Oft bringt sie (die Kirche) ihre göttliche Aufgabe in Widerstreit mit den bösen Mächten, deren einzige Stärke in ihrer physischen Macht und in ihrer niedrig brutalen Gesinnung liegt... Aber die Kirche ist unerschrocken... Es ist ihre unwandelbare Botschaft, dass die erste Pflicht des Menschen in der Pflicht gegen Gott, dann in der gegen seinen Mitmenschen besteht, dass jener Mensch seinem Vaterland am besten dient, der seinem Gott am treuesten dient, und dass das Land, welches das Wort Gottes, das den Menschen durch Jesus Christus gegeben ist, in Fesseln legt, in keiner Weise zum dauerhaften Frieden der Welt beiträgt.Brief an den Präsidenten der USA Truman vom 26.08.1947; Dok. S. 65.
Wir haben selbst stets ... der Sache des wahren Friedens gedient und werden ihr immer dienen bis zum letzten Atemzug. Werdet auch Ihr, Männer der katholischen Aktion, Vorkämpfer dieser heiligen Sache. Dem Frieden dienen heißt: der Gerechtigkeit dienen.Ansprache an die Männer der katholischen Aktion Italiens vom 7.09.1947; Dok. S. 66.
Wenn der Glaube an Gott, den Vater aller Menschen, zu schwinden beginnt, verliert auch der Geist brüderlicher Einheit seine sittliche Grundlage und seine Einigungskraft; und wenn der Sinn für eine von Gott gewollte Gemeinschaft, die die durch bestimmte Normen geregelten gegenseitigen Rechte und Pflichten einschließt, abzusterben beginnt, tritt an deren Stelle eine krankhafte Überempfindlichkeit ... eine instinktive Neigung zu übertriebener Behauptung der eigenen oder vermeintlichen Anrechte, eine manchmal unbewusste, aber deshalb nicht weniger gefährliche Vernachlässigung der Lebensnotwendigkeiten der anderen...Radiobotschaft zum Heiligabend vom 24.12.1947; Dok. S. 70.
Was ist Friede? Sicherlich ist er mehr als das bloße Fehlen von bewaffneter Kriegsführung und von Blutvergießen. Er hat einen positiven Charakter edler Würde. Des Hl. Augustinus berühmte Definition gilt für jeden Bereich moralischer und gesellschaftlichen Lebens. Friede ist die Ruhe der Ordnung. Und was ist Ordnung? Ordnung ist jene Verteilung von gleichen und ungleichen Bestandteilen, die einem jeden den ihm gebührenden Platz zuweist (De Civ. Dei IX, 13). Man lasse jedes einzelne Element seinen ihm eigenen Platz in der allgemeinen Harmonie der menschlichen Gesellschaft behalten oder wieder einnehmen; man stärke diese Ordnung derart, dass sie dauerhaft bleibt und ihre Segnungen in ruhiger Sicherheit geerntet werden können – dann haben Sie in Gottes Welt den Frieden auf den Thron gesetzt! Was für eine wunderbare Formel, vollkommen genau, umfassend, elegant! Keine andere wurde je hervorgebracht, die ihren Platz einnehmen könnte oder ihr gleichkommen würde! Sie ist ein Echo der göttlichen Botschaft des Erlösers, sie ist ein Ausdruck der unsterblichen Überlieferung der Kirche. Nun ist aber das Ziel, dem die menschliche Gesellschaft mit ihren Anstrengungen und Hoffnungen zustreben muss – will sie sich dem souveränen Willen Gottes und den Forderungen der eigenen vernünftigen Natur unterwerfen – gerade und immerdar der Friede: die Ruhe, die mit der Ordnung kommt!Ansprache an Senatsmitglieder der USA-Regierung vom 1.11.1947; Dok. S. 68.
Eines aber ist sicher: Das Friedensgebot ist göttlichen Rechts. Sein Zweck ist der Schutz der Menschheitsgüter, insofern sie Güter des Schöpfers sind.Ansprache an das Kardinalskollegium vom 24.12.1948; Dok. S. 79.
In Ansprachen und Rundfunkbotschaften haben Wir die Grundsätze des "Totalitarismus" und die Lehren des "Imperialismus" und des übertriebenen "Nationalismus" entscheidend verurteilt, die ... Menschen zum Wandern zwingen, die Einwohner gegen ihren Willen deportieren und die Bürger von Familie, Haus und Vaterland in nichtswürdiger Weise wegzuführen sich unterstehen... Der ... Weg, den Wir zur Erreichung dieses (gerechten und dauerhaften) Friedens gezeigt haben, fördert die wechselseitigen Beziehungen unter den Völkern, und zwar in der Weise, dass den Verschleppten und Flüchtlingen die Rückkehr zum Ihrigen ... gestattet wird.Apostolische Konstitution "Exsul Familia" vom 1.08.1952; Dok. S. 100.
Wir selbst wollten während der harten Jahre Unseres Pontifikates, dass alles, was Uns durch die Liebe der wohlhabenden Gläubigen aus verschiedenen Teilen der Welt zuströmte, in ständigem Strom zurückfließt als Hilfe für Unsere ärmeren und verlassenen Söhne. Wir wollen den Flüchtlingen zur Seite stehen und ihnen behilflich sein, in ihre Heimat zurückzukehren.Weihnachtsbotschaft vom 24.12.1952; Dok. S. 111.
Die erste Forderung für jede Friedensaktion ist die Anerkennung des Bestehens eines Naturgesetzes, das allen Menschen und Völkern gemeinsam ist, von dem die Richtlinien des Seins, des Handelns und des Sollens ausgehen und dessen Beobachtung das friedliche Zusammenleben und die gegenseitige Zusammenarbeit erleichtert und sichert. Für jene, die diese Wahrheit zurückweisen wollen, würden die Beziehungen unter den Völkern theoretisch und praktisch ein Rätsel bleiben; und wenn die Zurückweisung allgemeine Lehre würde, dann wäre auch der Lauf der menschlichen Geschichte ein ewiges Irren auf stürmischem Meer ohne Landung.
Im Lichte jener Grundlage hingegen ist es für einen jeden leicht, wenigstens in allgemeinen Zügen die Grundsätze zur Lösung des Zwistes anzugeben, die Echtheit des Lehramtes der Geschichte für die Beziehungen der Völker zu verstehen, sich Rechenschaft zu geben über die Formung und den verpflichtenden Charakter des internationalen Rechtes.
Mit einem Wort: das Naturgesetz ist die feste, gemeinsame Grundlage jeden Rechtes und jeder Pflicht, die allgemeine, für jegliche Verständigung notwendige Sprache; es ist jenes oberste Berufungsgericht, das die Menschheit immer ersehnt hat, um den vorkommenden Zwisten ein Ende zu setzen.Ansprache an das italienische "Centro" zum Studium der internationalen Wiederversöhnung vom 13.10.1953; Dok. S. 133.
Noch harrt ihr Vaterland der Lösung brennender Fragen, der Bereinigung und Verhältnissen, die eine fast übermenschliche Belastung darstellen. Wir empfehlen dem deutschen Volk diesen Fragen und Verhältnissen gegenüber den Ausgleich von Zähigkeit, Weitblick und Geduld, mit dem Wir in den vergangenen Jahren seinen Kanzler an solche Probleme herangehen sahen. Ungeduld ist keine Atmosphäre zur Meisterung Politischer Aufgaben, zumal wen sie internationalen Charakter tragen. Gerade Deutschlands Geschichte nach dem ersten Weltkrieg belegt, welches Unglück diejenigen im politischen Raum bedeuten, die nicht warten können.
Wir unsererseits wünschen, es mögen die östlich der Bundesrepublik offenen Fragen Schritt für Schritt behandelt werden mit dem Ziel einer Gesamtlösung, die alle beteiligten Staaten und Familien billigerweise als tragbar empfinden und so die Grundlage für einen echten Frieden bildet.Ansprache anlässlich eines Besuches der deutschen Delegation unter Führung von Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer im Vatikan vom 5.07.1956; Dok. S. 140/41.
Es besteht kein Zweifel, dass die Welt durch die schwere Krise dieser Tage der Gewalt die rechte Richtung verloren hat und in ihrem Vertrauen erschüttert wurde, weil sie erneut Politik erleben musste, die Sonderinteressen und wirtschaftliche Vorteile höher stellt, als das menschliche Leben und die moralischen Werte.
Angesichts dieses Zerrbildes der Gerechtigkeit und der Bruderliebe, angesichts der bleibenden Skepsis der Menschen gegenüber der Zukunft, angesichts der gesteigerten Uneinigkeit der Gemüter, möchten Wir, die ... der festen Überzeugung sind, dass der Friede kein leerer Wahn ist, sondern eine Verpflichtung, die von allen erfüllt werden kann, ... an alle Völker den eindringlichen Appell richten: stellen wir die Wege des Friedens wieder her! Bekräftigen wir die Einigung derer, die den Frieden wünschen, und erneuern wir das Vertrauen bei denen, die es verloren haben...
Wir verhehlen nicht, wie verwickelt gegenwärtig die Beziehungen unter den Nationen und unter den kontinentalen Gruppen sind, in denen sie sich befinden. Man höre jedoch die Stimme Gottes selbst, des Schöpfers und Vaters aller. Man setze, selbst unter großen Opfern, jedes andere Problem und jedes Sonderinteresse zurück hinter jene vordringlichen und fundamentalen Regionen des menschlichen Lebens, die in die Sklaverei herabgewürdigt sind. Man kehre sobald wie nur möglich zurück, die Reihen enger zu schließen und in einer festen, öffentlichen Vereinbarung alle Regierungen und Völker zu vereinigen, die da wollen, dass die Welt den Weg der Ehre und der Kinder Gottes gehe, Vereinbarungen auch, um ihre Mitglieder wirksam zu verteidigen gegen jeden ungerechten Angriff auf ihre Rechte und ihre Unabhängigkeit.
Es wird alsdann nicht Schuld der Edeldenkenden sein, wenn für denjenigen, der sich von diesem Weg entfernt, nichts bleibt als trostlose Vereinsamung. Vielleicht wird das kompakte Zusammenhalten jener Nationen, die den Frieden und die Freiheit aufrichtig lieben, schon allein genügen, und Wir wünschen es von ganzem Herzen, um diejenigen zu milderen Entschlüssen umzustimmen, die sich den elementaren Gesetzen des menschlichen Zusammenlebens entziehen und sich somit selbst des Rechts berauben, im Namen der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens zu sprechen.Rundfunkbotschaft an alle Völker der Erde vom 10.11.1956; Dok. S. 149.
Ihr (deutsches) Volk hat gleich von den ersten Nachkriegsjahren an unter gefahrdrohenden Umständen und in den entscheiden Stunden in bemerkenswertem Maß gesunden politischen Sinn bewiesen: Wir dürfen aber wiederholen, worauf Wir aber schon einmal hingewiesen haben: Möge Geduld und Wartenkönnen immer ein stark bestimmtendes Element seiner politischen Reife sein.Ansprache beim Staatsbesuch des deutschen Bundespräsidenten Prof. Dr. Theodor Heuss am 27.11.1957; Dok. S. 162.
Aber welches "Gute Werk", das für die Welt nützlicher wäre, kann gegenwärtig von der gesamten Christenheit getan werden, als mit allen Kräften die feste Wiederherstellung des gerechten Friedens zu fördern?Osterbotschaft vom 6.04.1958; Dok. S. 167.
10. Die Sorge der Kirche um die Zukunft Europas und der Welt
Wenn es einer der kriegführenden Parteien gelungen ist, nur mit der Macht des Schwertes oder mit anderen Mitteln unwiderstehlichen Zwanges zu einem klaren und unzweideutigen Sieg zu kommen, ist sie physisch in der Lage, einen nicht billigen Gewaltfrieden zu diktieren. Dennoch ist es sicher, dass keiner, dessen Gewissen nach den Grundsätzen der wahren Gerechtigkeit gebildet ist, einer so verzweifelten Lösung den Charakter sicherer und weitschauender Weisheit zuschreiben kann.Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1944; Dok. S. 31.
Deshalb möchten Wir sehnsüchtig wünschen, dass dem Geist der Regierenden und der Völker wenigstens als anzustrebendes Ideal der grundlegende Gedanke vorschwebe, der die Worte eingab, die der hervorragende Redner des alten Rom zu Ehren des M. Claudius Marcellus ausgesprochen hat: "Sich selbst besiegen, den Zorn bezähmen, den Besiegten schonend behandeln, den darniederliegenden Gegner aufrichten, wer solches tut, den vergleiche ich nicht mit den erhabensten Menschen, sondern finde ihn einem Gotte sehr ähnlich (Cicero, Pro M. Marcello, 3)".Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1944; Dok. S. 31.
Eine alte Welt liegt in Trümmern. Aus den Ruinen sobald wie möglich eine neue Welt aufsteigen zu sehen, eine gesündere, eine rechtlich besser geordnete, eine Welt, die mit den Forderungen der Menschennatur mehr in Einklang steht: das ist die brennende Sehnsucht der gequälten Völker. Wie werden die Baumeister heißen, welche die Grundlinien des neuen Baues entwerfen? Wie heißen die Geister, die ihm das endgültige Gepräge geben werden?
Sollen etwa auf die schmerzlichen und unheilvollen Irrtümer der Vergangenheit andere, nicht minder beklagenswerte folgen? soll die Welt immerfort von einem Extrem ins andere pendeln? Oder wird doch endlich das Pendel stehen bleiben, dank der Tätigkeit von weisheitsvollen Staatsführern, unter dem Einfluss von Richtlinien und Lösungen, die nicht im Widerspruch zum göttlichen Recht und nicht im Gegensatz zum menschlichen und insbesondere zum christlichen Gewissen stehen?
Von der Antwort auf diese Frage hängt das Schicksal der christlichen Kultur in Europa und in der Welt ab. Einer Kultur, die die höchsten ethischen Grundsätze zur Geltung bringt: das Sittengesetz vom Schöpfer den Menschen in die Herzen geschrieben (vgl. Röm 2, 15), das Naturrecht, das von Gott ausgeht, die Grundrechte und die unantastbare Würde der menschlichen Person.Rundfunkbotschaft vom 1.09.1944; Dok. S. 32.
Wir wollen nicht verzichten auf die Hoffnung, dass die Völker, die allesamt die Schmerzensschuld durchgemacht haben, sich ihre harten Lehren wohl merken werden. Und zu dieser Hoffnung ermuntern Uns die Worte von Männern, welche die Kriegsleiden in stärkerem Grade durchgemacht und die hochherzige Worte gefunden haben, um – gleichzeitig mit der Betonung des eigenen Anspruchs auf Sicherung gegen jeden künftigen Angriff – ihre Achtung vor den lebenswichtigen Rechten der anderen Völker und ihr Widerstreben gegen jede Vergewaltigung dieser Rechte auszudrücken.Radiobotschaft an die Welt vom 24.12.1944; Dok. S. 36.
Nie vielleicht, seit die Welt existiert, sahen sich die Lenker des öffentlichen Lebens vor einer Aufgabe, so umfassend und verwickelt, durch die Zahl, die Größe und Schwierigkeit der zu lösenden Fragen, so folgenschwer in ihrer Wirkungen in die Breite und in die Tiefe, zum Guten oder zum Bösen, wie es die Aufgabe ist, der Menschheit heute, nach drei Jahrzehnten der Weltkriege, der Wirtschaftskatastrophen und maßlosen Verelendung, wieder Ordnung, Frieden und Wohlfahrt zu geben. Gewaltig, furchtbar ist die Verantwortung jener, die sich anschicken, solch ein gigantisches Werk zu schaffen.Ansprache an das Hl. Kollegium vom 24.12.1945; Dok. S. 44.
Die Kontinuität in der Zeit war stets eine Wesenseigenschaft des gesellschaftlichen Lebens. Dieses in Loslösung des Menschen von seiner Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu begreifen, erschien als unmöglich. Nunmehr ist gerade diese Lösung der unheimliche Vorgang, dessen Zeugen wir sind.
Allzu oft weiß man von der ganzen Vergangenheit nahezu nichts oder kaum soviel, um die wirren Runen in ihren Trümmerhaufen zu erahnen. Die Gegenwart ist für viele nur wie die jagende Flucht eines wilden Stromes, der die Menschen wie Treibholz in die dunkle Nacht einer Zukunft zieht, in der sie mitsamt dem reißenden Strom verschwinden.Ansprache an die Kardinäle vom 24.12.1946; Dok. S. 48.
Wir, die Wir kraft unseres apostolischen Amtes gewöhnt und verpflichtet sind, die oft so bewegten Ereignisse dieser Welt "sub spezie aeternitatis" – "unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit" zu betrachten, bemerken...: Heute können alle klugen und vorausschauenden Geister sehen, dass die erste unter allen Ursachen der Leiden der gegenwärtigen Zeit die bewusste Ausschaltung der Religion als kulturschaffender und vollendender Kraft ist.Ansprache an die Botschafter Boliviens vom 14.05.1949; Dok. S. 80.
Wenn es schon ein Wagnis darstellt, die europäische Neuordnung durch das schwierige Zwischenstadium durchretten zu wollen, das zwischen dem alten zu einseitig nationalen und dem neuen Denken liegt, so sollte wenigstens einem jeden das Gebot der Stunde vor Augen stehen: dass nämlich diese Atmosphäre so schnell wie möglich geschaffen werden muss.Ansprache an die Mitglieder der Pax-Christi-Bewegung in Rom vom 13.09.1952; Dok. S. 107.
Die gegenwärtige Lage wird sich nicht bessern, wenn nicht alle Völker die gemeinsamen geistigen und sittlichen Ziele der Menschheit anerkennen und in gegenseitiger Hilfe verwirklichen, wenn sie sich folglich nicht miteinander verständigen...
Alles das kann in Europa geschehen, ja es muss dringend geschehen durch das Zustandekommen, einer kontinentalen Union seiner Völker, die sich zwar voneinander unterscheiden, aber geographisch und historisch miteinander verbunden sind. Eine gültige Ermutigung zu dieser Union ergibt sich aus dem offenkundigen Versagen der entgegengesetzten Schichten und aus der Tatsache, dass die Völker selbst in ihren breitesten Schichten und aus der Tatsache, dass die Völker selbst in ihren breitesten Schichten ihre Verwirklichung erhoffen. Die Zeit scheint also reif dafür, dass die Idee Wirklichkeit werde.Weihnachtsbotschaft vom 24.12.1953; Dok. S. 123.
In der Auseinandersetzung mit der neuen Lebensform des materialistischen Ostens behauptet das Abendland, für die Menschenwürde und die Menschenrechte, an erster Stelle für die Freiheit des Einzelnen einzutreten. Es möge aber nicht übersehen: dass die Würde und die Rechte des Menschen, seine persönliche Freiheit ganz besonders, sich gegen ihn wenden, ja dass sie sich selbst aufheben, wenn sie nicht in Einheit genommen werden mit den Bindungen, den Pflichten, mit denen die Ordnung der Natur wie der Gnade sie unlöslich verknüpft hat und die im Gebot Gottes und im Gesetz Christi dem Menschen entgegentreten...
Wir können nicht umhin, für das Abendland zu wiederholen, was Wir ... von der europäischen Kultur erklärten: dass sie nämlich "unverfälscht christlich und katholisch sei oder aber verzehrt wird vom Steppenbrand jener anderen materialistischen, der nur die Masse und die reine physische Gewalt etwas gelten (17.07.1952, UG 1381)".Brief an den Bischof von Augsburg vom 27.06.1955; Dok. S. 129.
Möchten doch alle einsehen, dass die (Überwindung der gestörten Ordnung) unter den Völkern nicht erreicht werden kann durch Waffengewalt, die der Menschheit den Tod bringt; nicht durch Gewaltmaßnahmen, die den Bürgern aufgenötigt werden und die noch nicht ihr inneres Sehnen unterdrücken können; und auch nicht durch irreführende Schlagworte, welche die Geister verderben. Auch kann die Sehnsucht nach gerechter Freiheit niemals gänzlich durch äußere Gewaltmaßnahmen unterdrückt werden.Enzyklika "Luctuissimi eventus" vom 28.10.1956; Dok. S. 143.
11. Der christliche Glaube als Brücke zum wahren Völkerfrieden
Möchte doch der gemeinsame katholische Glaube, zu dem sich so viele auf beiden Seiten bekennen, die überall schrecklich um sich fressenden Gluten des Hasses und der Feindschaft niederhalten und ersticken und so einer Atmosphäre der Befriedigung und der Liebe ein Weg geebnet werden... Das ist Unsere Mahnung, das Unsere Hoffnung, das Unser Sehnen und Verlangen.Schreiben an Kardinal v. Faulhaber und deutschen Episkopat vom 1.11.1945; Dok. S. 41.
Wir fühlen Uns daher gedrängt, aufs Neue Unsere Stimme zu erheben, um Unseren Söhnen und Töchtern der katholischen Welt die Warnung in Erinnerung zu rufen, die der göttliche Heiland im Laufe der Jahrhunderte in seinen Offenbarungen an bevorzugte Seelen, die er sich zu seinen Boten auszuwählen würdigte, immerfort einschärfte:
"Entwaffnet die strafende Gerechtigkeit des Herrn durch einen Kreuzzug der Sühne in der ganzen Welt!"Ansprache an das Kardinalskollegium vom 1.06.1946; Dok. S. 53.
Das immer schon schwere Amt der Kirche, allen Gewissenhaftigkeit, Rechtschaffenheit, Mäßigung, sowie die Achtung vor der Wahrheit und dem Recht einzuschärfen, ist nie so hart und undankbar, wie in Zeiten der Erregung und der Krise; doch ist es deshalb auch doppelt wichtig und dringend.
Sie (die Katholiken) sollen sich klar sein über den Beitrag, den sie ... wirklich und wirksam zum Werk des Wiederaufbaues leisten können; und zugleich mögen sie die Überzeugung hegen, dass dieses Werk niemals zur glücklichen Vollendung kommen kann, wenn es nicht gegründet ist auf Recht, Ordnung und Freiheit, auf einer Freiheit, wollen Wir sagen, das Wahre und Gute zu wollen, die im Einklang steht mit der Wohlfahrt des einzelnen Volkes und der ganzen Familie der Völker.Ansprache an das Kardinalskollegium vom 2.06.1946; Dok. S. 52.
Die Bewährung eines so erhabenen Zieles ... wird ... (uns) gegen die materialistischen Irrtümer unserer Zeit schützen und ... zu immer größeren Opfern begeistern...
Aber die Katastrophen ... sind nicht durch die blinden Naturkräfte hervorgerufen worden, sie sind das Ergebnis der eigenen Irrtümer des Menschen, die bittere Frucht der Sünde, die fruchtbare Folge seines Ungehorsams gegen das Gesetz Gottes und gegen seine Taubheit gegenüber der Stimme der Liebe Gottes, die so beredt in dem von Mitleid erfüllten Erlöser zum Ausdruck kommt.Ansprache an die Vertreter des Roten Kreuzes der USA vom 31.05.1947; Dok. S. 62/63.
Die Kirche glaubt an den Frieden und wird nicht müde werden, die verantwortlichen Staatsmänner und Politiker daran zu erinnern, dass auch die heutigen politischen und wirtschaftlichen Verwicklungen bei gutem Willen aller Beteiligten sich friedlich lösen lassen.
Andererseits rechnet die Kirche mit den dunklen Mächten, die immer in der Geschichte am Werk waren. Darum hält sie sich auch zurück gegenüber jeglicher "Friedenspropaganda", in der das Wort "Friede" missbraucht wird, indem man nicht genannte Ziele tarnt.Ansprache an die Mitglieder der Pax-Christi-Bewegung in Rom vom 13.09.1952; Dok. S. 109.
Wenn es immer eine schwierige Aufgabe war, aus dem Menschen einen echten Christen zu formen, eine Aufgabe, die den ganzen Menschen verlangt, so ist dieselbe unter den heutigen Bedingungen doppelt schwer zu lösen. Der entscheidende Grund mag in folgendem liegen: Wir leben, wie man sagt, im Zeitalter der Technik. Nun sind die Staunen erregenden Entdeckungen der Naturwissenschaften, der Physik, Chemie, Astronomie, Anthropologie, Biologie, auf denen die Technik ihren Fortschritt aufbaut, in sich ebenso viele Beweise der Meisterhand des Schöpfers. Und was die Kirche angeht, so kann sie unter jeder Zivilisation ihre Sendung leben.
Wahr bleibt jedoch, dass die überstürzenden Leistungen der Technik, für den Augenblick wenigstens, den Blick leicht blenden, so dass die rein geistigen und die übernatürlichen Werte vor ihm verblassen. Den Ausschlag gibt jedoch, dass der technische Fortschritt in einen anderen geschichtlichen Prozess mündet, dessen Quellen anderswo liegen.
Das, was man christliche Atmosphäre nennt, christliche Tradition und Sitte, die einstmals das ganze gesellschaftliche Leben durchdrang und dem einzelnen die Aufgabe, ein echter Christ zu werden zwar niemals abnahm, wohl aber erleichterte, diese Atmosphäre ist im Schwinden, ja weithin schon von einer der christlichen entgegengesetzten Denk- und Lebensart verdrängt. Wo dies der Fall ist, geht es den Christen von heute wie jenen der ersten christlichen Jahrhunderte in einer sie fast erdrückenden heidnischen Umwelt.
Ja, Wir stehen nicht an beizufügen, dass es heute unter Umständen noch schwieriger sein kann, ein christliches Leben zu führen, als es dies damals war. Und doch muss diese Aufgabe gelöst werden. Die Kirchengeschichte kennt Verhältnisse, auch solche mit erschütternden Folgen, wo das christliche Dasein sich in den liturgischen Handlungen innerhalb des sakralen Raumes erschöpfte, im übrigen aber unfruchtbar blieb, weil sich zwischen Religion und Leben ein Bruch vollzogen hat. Tut alles, um eine solche Lage nicht aufkommen zu lassen!
Die heutige katholische Welt ist reich an religiösen Erkenntnissen. Auf die Angriffe gegen Gott, Religion, Christus und Kirche, die zur Zeit in Eurem Bereich aufdringlich herumgeboten werden, ist längst geantwortet, auch in streng wissenschaftlicher Form. Ist aber die katholische Welt entsprechend stark in religiöser Tat, in religiösem Heldentum? Ist sie ebenso reich an katholischen Menschen, die den Glauben bejahen bis zum Letzten – ganz so wie die Kirche ihn lehrt? Die Kirche, in der Christus lebt und wirkt: "Ihr seid das Salz der Erde" (Mt 5, 13)?
Durch Euch soll die Kirche Lebensprinzip der Gesellschaft sein: durch jeden einzelnen von Euch, indem er als überzeugter Christ denkt und handelt; durch Euch alle vereint, indem Ihr es Euch angelegen sein lasst, der Weltordnung nach dem Plan Gottes in den öffentlichen Bereichen Geltung zu verschaffen!Botschaft an die Teilnehmer des 78. Deutschen Katholikentages in Berlin vom 17.08.1958; Dok. S. 173.
Die katholischen Ostvertriebenen sollen wissen, dass die Bande, die sie heute mit dem Oberhaupt der Kirche zusammenschließen, noch enger sind als jene, die sie damals (im Jahre 1926 auf dem Breslauer Katholikentag) unter der zermalmenden Wucht ihrer Not nicht irre machen lassen an dem Glauben, den ihre Väter und Mütter, ihre Seelsorger und Bischöfe in ihre Kinderherzen gesenkt haben. Mag der Taufstein ihrer Pfarrkirche zerstört oder ihrem Blick nicht mehr zugänglich sein: das Taufgelübde von eins folgt ihnen in die Verbannung und erheischt Erfüllung!Schreiben an die deutschen Bischöfe vom 1.03.1948; Dok. S. 73-74.
12. Gebet Papst Pius XII. für die Heimatvertriebenen
"Jesus, allmächtiger und ewiger Gott, Du hast Dich gewürdigt, unsere Natur anzunehmen, Dich zu unserem Bruder und zum Tröster der Bedrängten zu machen. Wende Deinen Blick voll Gnade und Erbarmen auf die große Zahl derer, denen der Krieg den geliebten häuslichen Herd geraubt hat, und die in bangster Sorge auf ihre unsichere, dunkle Zukunft blicken!
Der Glaube an Dich, dem sie in ruhigen und glücklichen Tagen anhingen, ist heute, da ein unsagbares Leid sie getroffen hat, mehr denn je ihr erhabenster Halt, ihre Hoffnung, ihr Trost bei jedem Schritt auf dem harten Lebensweg, auf den das Kriegsgeschehen sie gestellt hat.
Sohn des himmlischen Vaters, göttliche Weisheit, Du lenkst den Gang der Jahrhunderte und die Abfolge der Völker. Gebiete den Stürmen und Wettern, die den Frieden der von Dir erlösten Menschheit stören? Bleibe bei uns Armen und Unglücklichen! Wirke und lebe mit uns, damit wir leben in Dir und damit Du jeden Augenblick unsere Stütze und unser Trost, unsere Gnade und unsere Tugend, unsere Rechtfertigung und auch unsere Verzeihung bist bei jedem Fehltritt, den menschliche Schwachheit in uns herbeiführen mag.
In den Armen Deiner heiligsten, liebenswürdigsten Mutter Maria, unter der wachsenden Sorge Josephs, Deines keuschesten Pflegevaters, wolltest auch Du einst ein Flüchtling sein. Schenke denen, die heute obdachlos umherirren müssen, jene unentwegte Gleichförmigkeit mit Gottes Willen, die damals das Leid Deiner Verbannung und Deiner Familie adelte und heiligte. Du, Herr aller Erdengüter, konntest von Dir selbst sagen: "Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel des Himmels ihre Nester, doch der Menschensohn hat nichts, worauf er sein Haupt zur Ruhe legen könnte." Lasst alle, die sich von unaussprechlicher Not bedrängt aus ihren Heimen verwiesen sehen, aus dem Beispiel Deiner freiwilligen Armut die Gotteskraft und den Christenmut schöpfen, mit verdienstvoller Geduld und Haltung die Bitterkeit ihres ins Leid gestoßenen Lebens zu tragen!
Herr, im Namen und in Verbundenheit mit all jenen, die der schaudervolle Krieg in Trauer, Elend und Not versetzt hat, flehen wir zu Dir mit dem Gebet der heiligen Liturgie: zeige, o Herr, in Deiner Güte an uns Deine unaussprechliche Barmherzigkeit! Nimm von uns alle Sünden und errette uns zugleich von den Strafen, die wir dafür verdienen! Lass alle, die auf Dich vertrauen, den Tag aufsteigen sehen, an dem Hirt und Herde Dich und Deine unendliche Güte preisend, in Freude und Dankbarkeit ausrufen können: Die Barmherzigkeit des Herrn ist’s, dass wir gerettet sind; ja gerettet hienieden und für alle Ewigkeit. Amen."(DR XX/285ff; Original in deutscher Sprache)
13. Verwendete Literatur
Golombek, Oskar : Die katholische Kirche und die Völker-Vertreibung, Wienand-Verlag, Köln 1966, S. 37-73. (Anm.: Die Auszüge wurden hier chronologisch sortiert.)