Die Potsdamer Konferenz und Japan

Am 7. Dezember 1941 begann der japanische Siegeszug im Westpazifik mit dem Überfall auf Pearl Harbor. Als dann die kaiserliche Marine Japans Anfang Juni 1942 vier ihrer besten Flugzeugträger verlor, begann eine Serie verheerender Niederlagen. Zu Beginn des Jahres 1945 drängte schließlich der ehemalige japanische Premierminister Fürst Konoe Fumimaro (1891-1945) den Tenno (Titel des japanischen Kaisers) den Krieg zu beenden.

Andernfalls könne die unausweichliche Niederlage in eine kommunistische Revolution münden, welche letztlich auch das japanische Kaiserhaus ins Verderben ziehen würde.(Fürst Konoe) Wagner, Japan, 184.

Nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands am 8. Mai 1945 setzte sich Mitte Juli der Oberste Kriegsrat Japans mit der Sowjetunion in Kontakt, um den befürchteten Kriegseintritt Stalins so lange wie möglich hinauszuzögern. Stalin, dem auf der Jalta-Konferenz Februar 1945 von den Westalliierten in einem geheimen Abkommen umfangreiche Gebietszusagen gemacht wurden, falls er in den Krieg gegen Japan eintritt, hatte den Neutralitätspakt mit Japan von 1941 gekündigt. Er wies Fürst Konoe am 18. Juli ab. (Vgl. Wagner, Japan, 184f.)

Zu Beginn der Potsdamer Konferenz schien somit das Ende des "Pazifischen Krieges" in Ostasien noch in weiter Ferne. Die militärischen Planer in den USA arbeiteten fieberhaft an der "atomaren Wunderwaffe", von der sie eine erhebliche Verkürzung dieses Krieges erhofften.

Einen Tag vor Beginn der Potsdamer Konferenz, am 16. Juli, testeten die USA in der Wüste von New Mexico erfolgreich die Atombombe.Wagner, Japan, 182.

Wie aus einem Tagebucheintrag Trumans vom 18. Juli hervorgeht, sollte der Kriegseintritt der kommunistischen Sowjetunion überflüssig und ihre Beteiligung an der Neuordnung Ostasiens nach dem Krieg verhindert werden. Am 24. Juli 1945 gab Truman den Befehl zur Vorbereitung des Abwurfs der Atombombe am 3. August. Am 26. Juli ließ Truman aus einem Entwurf der Potsdamer Erklärung, die die offiziellen amerikanisch-britisch-chinesischen Bedingungen für die Kapitulation Japans am Ende des Zweiten Weltkriegs festlegen sollte, die Passage streichen, die den Fortbestand des japanischen Kaiserhauses garantierte (Wagner, Japan, 182) Am 27. Juli forderten die Alliierten Japan zur bedingungslosen Kapitulation auf, ansonsten würde das Kaiserreich unverzüglich und völlig zerstört werden. Japan antwortete am 28. Juli, sie würden bis zuletzt für den Sieg kämpfen.

Die Militärs, die nach preußisch-deutschem Vorbild am Kabinett vorbei direkten Zugang zum Kaiser besaßen, spielten den Bombenabwurf zunächst herunter; und die zivilen Führer bekamen erst einen Tag später mit, dass es sich bei der neuen Waffe um eine Atombombe handelte.Wagner, Japan, 186.

Truman hoffte, mit dem Atombomben-Abwurf über Hiroshima am 6. August Japan zur Annahme der Potsdamer Erklärung bewegen zu können. Doch erst nach der zweiten Atombombe am 9. August auf die südjapanische Hafenstadt Nagasaki und dem zeitgleichen Kriegseintritt der Sowjetunion holte Japan die Potsdamer Erklärung erneut aus der Schublade.

Doch war die von den Alliierten geforderte 'bedingungslose' Kapitulation zunächst für alle Führungskreise indiskutabel. Daran änderte auch die Atombombe nichts, deren erfolgreiche Erprobung die Haltung der Amerikaner auf der Potsdamer Konferenz deutlich verhärtet hatte. Erst als der - durch den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima um sechs Tage beschleunigte - Kriegseintritt der Sowjetunion die letzten japanischen Illusionen zunichte machte, der demütigenden Kapitulation entgehen zu können, wurde die Potsdamer Erklärung für Tokio zur alleinigen Diskussionsgrundlage.Wagner, Japan, 189.

Eine bedingungslose Kapitulation des Militärs wollte Japan trotzdem nicht akzeptieren. Schließlich garantierten die USA, wie vom Tenno gefordert, einen Fortbestand der japanischen Dynastie. Allerdings entsagte der Tenno auf amerikanischen Druck hin seinem Anspruch auf "Göttlichkeit".
Im Tokioter Kriegsverbrecherprozess (1946-1948) wurden die japanischen Militärs auf die Anklagebank gesetzt. Nur gegen sie richteten sich die "Säuberungsmaßnahmen".

So schwer die japanische Verantwortung sowohl für den Ausbruch als auch für die Verlängerung des Pazifischen Krieges wiegt, so augenfällig ist auf der anderen Seite aber auch das Versäumnis der Potsdamer Konferenz, das Kriegsende rasch herbeizuführen. Ihrem in Absatz Eins der Erklärung vom 26. Juli formulierten Angebot, Japan solle eine Gelegenheit erhalten, den Krieg zu beenden, kamen die Teilnehmer der Potsdamer Konferenz letztlich nicht nach.Wagner, Japan, 190.

Das Beharren der Alliierten auf einer "bedingungslosen Kapitulation" wirft die Frage auf, inwieweit sie an den innerjapanischen Friedensüberlegungen überhaupt interessiert waren, oder ob sie sich vielmehr von diesen bei ihren jeweiligen Nachkriegsplanungen in Fernost nicht stören lassen wollten.
Mit dem Einsatz der Atombombe sorgten sie auf jeden Fall dafür, dass sich die Japaner nach 1945 mehr als Opfer denn als Täter sahen.

Quellen und weiterführende Hinweise

  • Wieland Wagner: Tokio und die Stunde Null. Der innerjapanische Streit um die Potsdamer Erklärung. In: Timmermann, Heiner (Hg.): Potsdam 1945. Konzept, Taktik, Irrtum? (Reihe: Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen, Band 81.), Duncker & Humblot, Berlin, 1997. [zitiert: Wagner, Japan]